Die Eigenart der Farben. Die Farbdebatte aus phänomenologischer Sicht.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Frage, die es im Projekt zu beantworten galt, war, warum in der Farbdebatte zwischen Farbobjektivisten und Farbsubjektivisten eine Patt- und Leerlaufsituation herrscht und wie diese durch eine phänomenologische Analyse aufgeklärt werden kann. Die Patt- und Leerlaufsituation ergibt sich daraus, dass alle farbobjektivistischen und farbsubjektivistischen Positionen implizit transzendental argumentieren, ohne dies jedoch explizit kenntlich zu machen. Für alle farbobjektivistischen Positionen ergibt sich das Problem, dass für die Bestimmung von Farben als objektive, meist physikalische Eigenschaften von Gegenstandsoberflächen, auf phänomenale Farberlebnisse zurückgegriffen werden muss, um zu erklären, welche physikalischen Eigenschaften überhaupt dieselbe Farbwahrnehmung bewirken. D.h. um festzustellen, welche Oberflächeneigenschaften oder Wellenlängen des Lichts zu einer Rotwahrnehmung führen, ist eine Analyse der jeweiligen physikalischen Eigenschaften unzureichend und muss durch den Einbezug phänomenaler Farbwahrnehmungen ergänzt werden. Die notwendige Bedingung für die Formulierung des Farbobjektivismus ist somit das phänomenale Farberlebnis, das ursprünglich für die farbobjektivistische Argumentation vermiede werden sollte. Farbsubjektivisten stehen dagegen vor dem Problem, dass die Auskunft, welche Farbe von verschiedenen Personen gesehen wird, einer physikalischen Rückbindung bedarf, um überhaupt zu wissen, dass es sich um eine Farbwahrnehmung handelt. Kann das Farberlebnis nicht intersubjektiv überprüft oder aus der 3. Person-Perspektive (meist physikalische Perspektive) erfasst werden, dann nimmt das Subjekt auf Farbtatsachen Bezug, über die keinerlei wissenschaftliche Aussagen getroffen werden können. Um einem Solipsisimus privater Farbwahrnehmungen zu entgehen, sind beim Farbsubjektivismus daher physikalische Eigenschaften einzubeziehen, die als Ursache oder Beleg für das jeweilige Farberlebnissen gelten. Da beide Positionen unausgesprochen transzendental argumentieren, ergibt sich jedoch ein für die gesamte Farbdebatte grundlegendes Dilemma: Wenn beide Positionen stets auf eine Prämisse der Gegenposition angewiesen sind, dann lässt sich keine wahr-falsch-Entscheidung zugunsten einer der Positionen treffen. Beide Positionen sind entweder ‚gleichwahr‘ oder überflüssig. Für die Verteidigung diese These wurden im Projekt die geschichtlichen Vorbedingungen der Farbdebatte rekonstruiert und erklärt, warum es zur Aufspaltung in Farbobjektivismus und Farbsubjektivismus kam. Im Anschluss daran wurden aktuelle Farbtheorien analysiert, die sich als Folge der geschichtlichen Vorläufer – vorrangig in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – entwickelt haben. Die daran anschließende Typologie neuerer Farbtheorien wurde dazu genutzt, um die transzendentale Argumentationsstruktur innerhalb der Farbpositionen aufzuweisen und das Dilemma der gesamten Farbdebatte herauszustellen. Als Perspektivwechsel zur Patt- und Leerlaufsituation innerhalb der Farbdebatte wurde ein metatheoretisch begründeter phänomenologischer Ansatz vorgeschlagen. Mit Hilfe dieses Ansatzes wurde gezeigt, dass sich die von Farbobjektivisten und Farbsubjektivisten vorgenommene Spaltung in eine entweder physikalische oder phänomenale Eigenschaft unterlaufen wird und damit eine Verschiebung ontologischer und erkenntnistheoretischer Fragen einhergeht. Die phänomenologische Perspektive verstand sich hierbei im Gesamten als ‚therapeutisches Projekt‘ im Sinne Wittgensteins. D.h. es sollte keine Entscheidung darüber getroffen werden, welche der besprochenen Farbpositionen wahr oder falsch ist, sondern geklärt werden, warum sich die Fragestellung innerhalb der Farbdebatte („Sind Farben physikalische oder phänomenale Eigenschaften?“) als verfehlt erweist und eine Analyse des Farbproblems aus phänomenologischer Perspektive sinnvoll ist. Die phänomenologischen Analysen wurden dazu genutzt, um aus einer Metaperspektive die Möglichkeitsbedingungen aufzuweisen, die zu einer einseitigen Gewichtung innerhalb des Farbobjektivismus und Farbsubjektivismus führen und deshalb die Pattsituation nach sich ziehen.