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Vom Lauf der Sterne und Gang der Uhren. Astronomie und Präzisionsuhrmacherei in Deutschland um 1800

Antragstellerinnen / Antragsteller Dr. Sibylle Gluch; Dr. Peter Plaßmeyer
Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2018 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 392130775
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt untersuchte die Herausbildung des Konzepts der Präzisionsuhr. Seit dem 18. Jahrhundert wurden Wissenschaften und verwandte Disziplinen zunehmend durch Ideen der Quantifizierung beeinflusst: aus der ‘Welt des Ungefähr’ wurde das ‘Universum der Präzision’ (Koyré). Trotzdem die Astronomie als eine ‘der ältesten exakten Wissenschaften’ (Heilbron) seit Jahrtausenden auf mathematische Methoden zurückgreift, erlebte auch sie seit dem späten 17. Jahrhundert, mit der Gründung der Observatorien in Paris und Greenwich, die Entstehung einer neuen Kultur der Präzision. Diese Kultur wurde maßgeblich durch neu entwickelte Instrumente befördert, zu denen insbesondere auch die Pendeluhr gehörte. Die Sekundärliteratur hat sich bislang nahezu ausschließlich auf die Darstellung ihrer technologischen Entwicklung konzentriert, während die Praktiken der Uhrennutzung, insbesondere auch in der Astronomie, weitgehend unbeachtet blieb. Diese Lücke wurde durch das Projekt geschlossen. Durch die Untersuchung der mit den Uhren verbundenen Praktiken ihrer Handhabung, Pflege und Kontrolle konnte das Projekt die Entstehung eines Konzepts der Präzision nachvollziehen, das deutlich von verwandten Begriffen wie etwa dem der Genauigkeit unterschieden war. Neben der Analyse einer Vielzahl historischer Quellen, u. a. Beobachtungsjournale und Korrespondenzen, wurde im Projekt eine statistische Methode entwickelt, mit der historische Gangdaten von Uhren ausgewertet wurden. Auf diese Weise konnten Uhren verschiedener Sternwarten miteinander verglichen und zu den jeweils vorhandenen lokalen Gegebenheiten in Relation gesetzt werden. Auf diese Weise wurde deutlich, dass die Epoche durch Experiment und Diversität gekennzeichnet war, sowohl in Bezug auf die verwendete Technik als auch hinsichtlich des Umgangs mit Zeitmessern. Eine Diskussion beider Komponenten entwickelte sich erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts, wobei sowohl Uhrmacher als auch Gelehrte bzw. wissenschaftliche Nutzer von Uhren beteiligt waren. Die Standardisierung der Uhrentechnik und der Uhrenpraktiken ist als Ergebnis dieses Diskurses anzusehen. Aus sorgfältigen Einzelbeobachtungen, bei denen Uhren häufig nach ihrer momentanen Genauigkeit, also ihrer Übereinstimmung mit einem Zeitstandard, beurteilt wurden, entwickelten sich festgelegte Beobachtungsabläufe, bei denen die Stabilität des Uhrgangs und damit die Präzision der Uhr in den Vordergrund rückte. Aus der vermeintlich genauen Uhr wurde somit ein Instrument, dessen Fehler bekannt und dessen Leistung vorhersagbar war. Die Präzisionsuhr ist damit mehr als das Ergebnis technischer Weiterentwicklungen, nämlich das Ergebnis eines Zusammenspiels von Technik und Handhabung. Da sowohl Uhrentechnik als auch Uhrenpraktiken während des gesamten 18. Jahrhunderts je nach Ausstattung, Aufgaben und Kenntnissen innerhalb der einzelnen Observatorien differieren, ist die Geschichte der Präzision innerhalb der Astronomie auch als eine Lokalgeschichte zu betrachten, deren Entwicklung die jeweiligen Umstände und Bedingungen spiegelt. Erst durch den Diskurs innerhalb der astronomischen Gemeinschaft kam es gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu einer zunehmenden Standardisierung, deren Ergebnis die ‘Präzisionsuhr’ war. Das ihr zugrunde liegende Konzept zielt damit nicht schlicht auf einen bestimmten Instrumententypus, sondern auf eine komplexe Einheit von Objekt und verbundenen Praktiken.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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