Die Entwicklung psychosozialer Arbeitsbelastungen in Europa unter dem Einfluss politischer Rahmenbedingungen.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In dem DFG-Forschungsprojekt wurde der Trend psychosozialer Arbeitsbelastungen im Laufe der Zeit untersucht. Der Untersuchungszeitraum beträgt bis zu 20 Jahren, je nachdem welche Arbeitsbelastungen untersucht wurden. Der Hauptfokus lag dabei auf etablierten Arbeitsstressoren wie job strain und effort-reward imbalance. Während job strain Arbeitsbelastungen kennzeichnet, die durch eine Kombination von hohen Anforderungen und geringem Handlungsspielraum gekennzeichnet sind, handelt es sich bei effort-reward imbalance um eine Belastung durch hohe Verausgabung und geringer Gratifikation im Beruf. Es wurde auch untersucht, ob Unterschiede in den Trends psychosozialer Arbeitsbelastungen nach beruflicher Position existieren und inwiefern der nationale arbeitsmarktpolitische Kontext eine Rolle bei der Entwicklung der Belastungen über die Zeit spielt. Zur Beantwortung dieser Fragestellungen wurde der European Working Conditions Survey verwendet, der es ermöglichte die verschiedenen Fragestellungen zu untersuchen. Die Ergebnisse wurden auf nationalen und internationalen wissenschaftlichen Konferenzen vorgestellt und in begutachteten wissenschaftlichen Fachzeitschriften publiziert. Die eindeutigsten Ergebnisse zeigten sich für job strain. Diese Arbeitsbelastung konnte über einen Zeitraum von 20 Jahren betrachtet werden. Es zeigte sich, dass die Belastung in diesem Zeitraum angestiegen ist. Der größte und auch statistisch signifikante Anstieg ist im Zeitraum 1995 bis 2005 zu beobachten. Die Zunahme der Belastung zwischen 1995 und 2005 geht hauptsächlich auf einen Anstieg der Anforderungen zurück. Eine interessante Beobachtung der einzelnen Items ist, dass die Berufe auf der einen Seite zwischen 1995 und 2015 komplexer wurden. Auf der anderen Seite ist aber auch die Monotonie zwischen 2005 und 2015 angestiegen. Zusätzlich deutet die Entwicklung auf eine stärkere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bei den am wenigsten Qualifizierten hin. Psychische Anforderungen nahmen stärker zu, der Handlungsspielraum nahm ab, was zu einer stärkeren Zunahme von job strain bei den am wenigsten Qualifizierten im Vergleich zu den am höchsten Qualifizierten führte. In den ländervergleichenden Analysen zeigte sich, dass in Ländern mit den geringsten Ausgaben in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen die Arbeitsbelastung von 1995 bis 2015 um 10 Prozent gestiegen ist, verglichen mit einer geringeren und statistisch nicht signifikanten Veränderung in Ländern mit mittleren und hohen Ausgaben. In Ländern mit niedrigen Ausgaben hat sich außerdem die Ungleichheit zwischen Gering- und Hochqualifizierten bei der Arbeitsbelastung während des untersuchten Zeitraums ebenfalls vergrößert. In weiterführenden Analysen konnte zusätzlich gezeigt werden, dass ein Anstieg bei den Ausgaben für bestimmte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen (active labour market policy (ALMP)) auch zu einer Abnahme psychosozialer Arbeitsbelastungen (effort-reward imbalance, Arbeitsplatzunsicherheit) führen. Dies gibt zumindest Hinweise für einen kausalen Zusammenhang und unterstreicht die Bedeutung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen bei der Reduktion psychosozialer Arbeitsbelastungen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2020) Associations between change in labour market policies and work stressors: a comparative longitudinal survey data analysis from 27 European countries. BMC Public Health 10;20(1):1377
Lunau T, Wahrendorf M, Dragano N. Siegrist J, van der Wel KA, Rigó M
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(2020) From National Labor and Social Policies to Individual Work Stressors. In: Theorell T. (eds.) Handbook of Socioeconomic Determinants of Occupational Health. Handbook Series in Occupational Health Sciences. Springer, Cham
Lunau T, Rigó M, Dragano N
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(2020) Work stress on rise? Comparative analysis of trends in work stressors using the European Working Conditions Survey. International Archives of Occupational and Environmental Medicine. Apr;94(3):459-474
Rigó M, Dragano N, Wahrendorf M, Siegrist J, Lunau T