Detailseite
Die Vertreibung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den deutschen Universitäten 1933-1945
Antragsteller
Professor Dr. Michael Grüttner
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 392933430
Die Vertreibung zahlreicher Wissenschaftler aus den deutschen wissenschaftlichen Hochschulen nach der nationalsozialistischen Machtübernahme gilt zu Recht als wissenschaftshistorische Zäsur, deren Auswirkungen weit über den deutschsprachigen Raum hinausreichten. Auch wenn es übertrieben ist, von einer 'geistigen Enthauptung Deutschland' zu sprechen, wie in älteren Arbeiten zu lesen ist, war der wissenschaftliche Substanzverlust beträchtlich. Fallstudien zur Mathematik, Physik, Biologie und Chemie zeigen, dass wissenschaftliche Spitzenkräfte unter den emigrierten Wissenschaftlern überproportional vertreten waren. Gleichwohl sind die genauen Konturen und Dimensionen dieses Vertreibungsprozesses bis heute nicht bekannt. Diese Lücke soll durch das hier beantragte Projekt für die deutschen Universitäten geschlossen werden.Ziel des Projektes ist es, ein möglichst vollständiges Bild über die Konsequenzen der nationalsozialistischen 'Säuberungspolitik' an den deutschen Universitäten zu erhalten. Zu diesem Zweck muss zunächst ein Verzeichnis sämtlicher Dozentinnen und Dozenten erstellt werden, die zwischen 1933 und 1945 aus den deutschen Universitäten vertrieben wurden. Gleichzeitig sollen zu jeder entlassenen Lehrkraft einige biografische Basisinformationen gesammelt werden. Als Ergebnis des Projektes ist die Publikation des Verzeichnisses der vertriebenen Wissenschaftler mit Angaben zur Biografie und einer ausführlichen Analyse der gesammelten Daten in Buchform vorgesehen. Denn das Projekt soll nicht nur Einzelschicksale rekonstruieren, sondern darüber hinaus durch die Auswertung der gesammelten Daten weitere Erkenntnisse ermöglichen. In einer kollektivbiografischen Untersuchung der vertriebenen Wissenschaftler gilt es zu differenzieren nach Entlassungsgründen und akademischem Status, nach Religion und Geschlecht, nach Universitätszugehörigkeit und wissenschaftlicher Disziplin, nach Emigranten und Nicht-Emigranten. Nicht zuletzt ist es ein Anliegen dieses Projektes, jenen Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern ein Gesicht zu geben, die Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik wurden oder entlassungs- bzw. verfolgungsbedingt Suizid verübten. Durch die genaue Analyse der Entlassungsgründe wird es darüber hinaus erstmals möglich sein, präzise Angaben über den Anteil von Wissenschaftlern jüdischer Konfession im Lehrkörper der einzelnen Universitäten und in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen vor 1933 vorzulegen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen