Detailseite
Projekt Druckansicht

Die Vertreibung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den deutschen Universitäten 1933-1945

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 392933430
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Vertreibung zahlreicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch die brutale Exklusionspolitik des NS-Regimes und die dadurch ausgelösten internationalen Migrationsbewegungen gelten zu Recht als bedeutsame Einschnitte in der Wissenschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die 1933 einsetzende „Säuberung“ der deutschen Universitäten führte zu einem beträchtlichen Verlust an wissenschaftlicher Substanz, dessen Konturen im Rahmen des Projekts erforscht wurden. Als Ergebnis der dreijährigen Arbeit, die sich auf eine Reihe von Vorstudien stützen konnte, entstanden 1290 Biogramme vertriebener Hochschullehrer – darunter elf Nobelpreisträger. Die Biogramme informieren über den akademischen Status, die Religionszugehörigkeit, die Mitgliedschaft in politischen Parteien sowie über den Grund der Vertreibung, gegebenenfalls auch über Emigration und Remigration, über die Opfer nationalsozialistischer Vernichtungspolitik, über KZ-Haft und Suizide. Die gesammelten Daten bieten die Möglichkeit, ein präzises, gleichwohl sehr heterogenes Kollektivporträt der vertriebenen Dozentinnen und Dozenten zu erstellen. Sie machen deutlich, dass der weitaus größte Teil der Entlassungen aus antisemitischen Gründen erfolgte, obwohl die Mehrheit der Entlassenen nicht der jüdischen Religionsgemeinschaft, sondern einer christlichen Kirche angehörte – eine nur scheinbar paradoxe Konstellation. Frauen, die 1933 eine winzige Minderheit im Lehrkörper der deutschen Universitäten bildeten, waren von der Säuberungspolitik überproportional stark betroffen. Das war jedoch nicht, wie vermutet werden könnte, Ausdruck einer gegen Frauen gerichteten Diskriminierung, sondern in erster Linie ein Resultat der nationalsozialistischen Rassenpolitik. Der Blick auf das parteipolitische Profil der vertriebenen Lehrkräfte zeigt, dass unter ihnen Anhänger aller politischer Parteien vertreten waren, von der KPD bis zur NSDAP. Doch überwogen eindeutig ehemalige Mitglieder der beiden großen demokratischen Parteien, welche die Weimarer Republik seit 1918/19 hauptsächlich getragen hatten: der liberaldemokratischen DDP und der SPD. Eine Mehrheit der von der Säuberungspolitik betroffenen Lehrkräfte, rund 60%, emigrierte nach der Entlassung. Obwohl diese Emigrantinnen und Emigranten sich auf zahlreiche Länder verteilten, kamen mehr als 60% von ihnen letztlich in nur zwei Ländern unter, den USA und Großbritannien. Nur diese beiden Länder boten den Vertriebenen zum einen die Chance, ihre wissenschaftliche Laufbahn auf hohem Niveau fortzusetzen, zum anderen eine gewisse Sicherheit vor der aggressiven Expansionspolitik des NS-Regimes. Schließlich wurde im Rahmen des Projekts auch ermittelt, dass die Zahl der Emigrantinnen und Emigranten, die seit 1945 wieder nach Deutschland bzw. in einen der beiden deutschen Teilstaaten zurückkehrten, größer war als in der Standardliteratur zur Emigrationsgeschichte bislang vermutet wurde.

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung