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Die Rolle von Mikrogliazellen in Morbus Alzheimer

Antragsteller Dr. Emile Wogram
Fachliche Zuordnung Molekulare Biologie und Physiologie von Nerven- und Gliazellen
Förderung Förderung von 2018 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 393821200
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Morbus Alzheimer ist eine tödliche, neurodegenerative Erkrankung und die häufigste Ursache für Demenz. Bislang gibt es keine effektive Therapie. Die Erkrankung zeichnet sich durch toxische Proteinablagerungen aus, sowie durch das Absterben von Synapsen und Nervenzellen im Gehirn. Obwohl die genaue Ursache der Erkrankung unklar ist, häufen sich die Hinweise, dass Mikroglia, die Fresszellen (=Phagozyten) des Gehirns, eine entscheidende Rolle spielen. Schon bevor die Krankheitssymptome sich präsentieren, eliminieren Mikroglia übermäßig viele Synapsen via Phagozytose und tragen mit dazu bei, dass sich toxische Substanzen im Gehirn ansammeln. Das Ziel dieses Projektes war die Entwicklung von Methoden, um die Rolle der Mikroglia in der Entstehung des Morbus Alzheimers besser verstehen zu lernen. Da es derzeit kein Tiermodell für die sporadische, weit häufigste Form der Alzheimererkrankung gibt, wurde dafür zunächst ein neuartiges, komplexes Experimentiersystem etabliert, welches dem menschlichen Gehirn am nächsten kommt. Mittels menschlicher Stammzellen, die von menschlichen Hautzellen entstammten (induzierte, pluripotente Stammzellen) wurden sogenannte Minihirne gezüchtet. Diese reiften auf einer Nährflüssigkeit über mehrere Monate, bis man neben gesunden Mikroglia auch ein reich verzweigtes Blutgefäßsystem in dem Hirngewebe wachsen lassen konnte. Damit ist die Grundlage geschaffen worden, Mikroglia im Kontext von Morbus Alzheimer zu erforschen, denn noch nie wurde ein Gewebe im Reagenzglas gezüchtet, welches von einer einzigen Hautzelle eines Menschen stammt und so „natürlich aussehende“ Mikroglia und Gefäßgeflechte aufweist. Der zweite Teil des Projektes bestand darin, mehr über die wesentliche Funktion der Mikroglia zu lernen. Jede zehnte Zelle des Gehirns ist eine Mikroglia und als Fresszellen fressen sie ständig umliegende Hirnsubstanz. Dieser Prozess heißt Phagozytose und das gefressene (=phagozytierte) Material gelangt in die zahlreichen Phagosomen, die wie kleine Mägen in den Fresszellen existieren. Es war bislang jedoch weitgehend unbekannt, was genau Mikroglia fressen und was mit dem Inhalt der Phagosomen geschieht. Daher wurde für dieses Projekt eine Methode entwickelt, mit der die Phagosomen der Mikroglia untersucht werden können. In der Untersuchung bedienten wir uns der Massenspektroskopie, mit welcher man sowohl Proteine, als auch Metabolite detektieren kann. Dabei entdeckten wir, dass in den Phagosomen nervenschädigende Substanzen in sehr hohen Mengen vorkommen und dort auch abgebaut werden können. Ferner fanden wir synaptische Proteine vor, welche Mikroglia von neuronalen Netzwerken aller Wahrscheinlichkeit nach abgebaut haben, wodurch sie die neuronale Aktivität mit beeinflussen können. Beide Beobachtungen spielen eine wichtige Rolle in Morbus Alzheimer, in welchem die neuronale Aktivität krankhaft verändert ist, synaptische Strukturen abgebaut werden und toxische Substanzen sich anhäufen, zu welcher auch die von uns detektierte Substanz zählt. Darüber hinaus entdeckten wir ein synaptisches Protein in den Mikrogliaphagosomen, welches eine wichtige Rolle in einer anderen Gehirnerkrankung spielt, der Epilepsie. Mit diesen neuen, großenteils unerwarteten Entdeckungen in den Mikrogliaphagosomen besteht die Hoffnung, dass wir dem Verständnis der Alzheimererkrankung und somit auch deren Prävention und der Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten einen Schritt näher gekommen sind. Mit Hilfe der im Reagenzglas gezüchteten, hoch komplexen Minihirne mit Mikroglia und Gefäßstrukturen, lassen sich nun auch besser Hirnerkrankungen erforschen und Medikamente testen, ohne dafür auf Tiermodelle zurückzugreifen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • "Mecp2 Links Heterochromatin Condensates and Neurodevelopmental Disease." Nature 586, no. 7829 (Oct 2020): 440-44
    Li, C. H., E. L. Coffey, A. Dall'Agnese, N. M. Hannett, X. Tang, J. E. Henninger, J. M. Platt, et al.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1038/s41586-020-2574-4)
  • "Human Physiomimetic Model Integrating Microphysiological Systems of the Gut, Liver, and Brain for Studies of Neurodegenerative Diseases." Sci Adv 7, no. 5 (Jan 2021)
    Trapecar, M., E. Wogram, D. Svoboda, C. Communal, A. Omer, T. Lungjangwa, P. Sphabmixay, et al.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1126/sciadv.abd1707)
 
 

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