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Helfen. Eine Praxeologie städtischer Wohltätigkeit
Antragsteller
Professor Dr. Johannes Moser
Fachliche Zuordnung
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung
Förderung von 2018 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 240207984
Praxen, die Beziehungen und Konstellationen der Hilfe herstellen, bilden den Fokus einer ethnografischen Untersuchung, die anhand zwei exemplarischer Forschungsfelder in München Fragen nach ethischen Subjektivierungen, körperlichen und materiellen Aspekten ethischer Praxis und dem politischen Potenzial karitativen Engagements nachgeht. Die Solidarisierung mit Schwächeren wird vor dem Hintergrund gegenwärtiger Erfahrungen von ökonomischer und politischer Destabilisierung seitens bestimmter Milieus als Weg aus der Krise proklamiert. München wird im Rahmen dieser Diskurse als „Weltstadt mit Herz“, als Ort einer wohlhabenden, inklusiven und wohltätigen Stadtgesellschaft präsentiert, die gegen Rechtspopulismus und für demokratische und christliche Werte einsteht. In diesem Sinne scheint die Unterstützung Schwächerer gegenwärtig einerseits ein zentrales Feld ethischer Subjektivierung zu sein, ist aber andererseits auch Gegenstand zunehmender kritischer Reflexion durch verschiedene politische Lager, Bedürftige und Beteiligte selbst. Das Projekt geht vor diesem Hintergrund den Selbstverständnissen der Helfenden ebenso nach wie den Deutungen derjenigen, für die die Hilfe gedacht ist: Welche Stadtgesellschaft wird in den diversen Hilfezusammenhängen und -beziehungen für München imaginiert, proklamiert oder infrage gestellt? Die geplante Studie setzt dabei nicht nur bei den Motiven und Vorstellungen der Akteur_innen an, sondern fokussiert im Sinne eines konsequent praxeologischen Zugangs auf die materiell verankerten Praxen, die Hilfezusammenhänge herstellen. Welche Rolle spielen also auch Körper und Artefakte, sowie Emotionen und Affekte im Rahmen der Praxisgefüge? Wie entstehen also Beziehungen und Arrangements der Hilfe? Mit den Konzepten der „Multiple Responsibilities“ (vgl. Trnka/Trundle 2017) und Care knüpft das Teilprojekt an die grundlegenden Perspektivierungen der DFG-Forschergruppe „Urbane Ethiken“ an und fragt nach Verbindungen zwischen ethischer Praxis und politischer Mobilisierung. Dabei wird der Zusammenhang zwischen Techniken des Regierens und sozialer Kreativität (vgl. Graeber 2008) beleuchtet. Ebenso wird nach der Etablierung ethischer Subjekte der Helfenden und Bedürftigen gefragt, wie auch nach der Gewalt von Ethik bei den Hilfebeziehungen.Methodisch setzt die Ethnografie an zwei exemplarischen Forschungsfeldern in München an, die durch die Methoden der teilnehmenden Beobachtung und qualitative Interviews bearbeitet werden. Eine kreativ-liberale Initiative kümmert sich hauptsächlich um Geflüchtete, während die ausgewählte katholische Initiative vor allem auf die Unterstützung von Frauen und Familien abzielt. Die Untersuchung stellt die Praxen der Hilfe in direkten Zusammenhang mit urbanen Bedingungen bzw. der Spezifik der Stadt München und mit den ideellen Verortungen der beiden Felder sowie der milieuspezifischen Art und Weise des Helfens bzw. des Hilfe Annehmens, Abwehrens oder Modifizierens.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen