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Zweierlei Maß? Forensische Psychiatrie und Strafrechtsreform in Berlin, 1960-1980

Antragsteller Dr. Rainer Herrn
Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2018 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 395384490
 
Das Projekt untersucht Institutionen, Verfahren und Praktiken der forensisch-psychiatrischen Begutachtung in der DDR und der Bundesrepublik zwischen Ende der 1950er Jahre und 1980. Damit will es die Entstehung eines disziplinären Wissens- und Handlungsfeldes rekonstruieren, dabei aber über eine fachgeschichtliche Perspektive hinausgehen. Denn in diesem Zeitraum wurden in beiden deutschen Staaten Strafrechtsreformen durchgeführt, die unter anderem die medizinisch-psychologischen Kriterien für verminderte Zurechnungs- und Schuldfähigkeit erweiterten, Massen- und Moraldelikte entkriminalisieren und insgesamt therapeutische Regimes im Umgang mit Straftätern vorantreiben sollten. Dieser Prozess wurde bisher vor allem anhand der juristischen, gesellschaftspolitischen und psychiatrischen Debatten rekonstruiert.Die zugrundeliegende medizinische Begutachtungspraxis, so die Hypothese, verdient jedoch mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit, weil sie nicht nur zentral für die Rechtsprechung war, sondern auch eine für Veränderungen -- ob den Reformen vorausgehend oder folgend -- entscheidende Ebene der Auseinandersetzung bildete. Dieser Zusammenhang lässt sich besonders prägnant in einer lokalen Studie herausarbeiten, die von vielfältigen Spannungsverhältnissen geprägt ist: Forensische Medizin in Ost- und West-Berlin war disziplinär und politisch gespalten, doch ist anzunehmen, dass beide Seiten grundlegende Diagnosetechniken, ätiologische Modelle und Forschungsanliegen teilten, da sie sich im selben Handlungsfeld bewegten. Ebenso weist manches darauf hin, dass beiderseits der Mauer die diagnostische Kategorie der >gestörten Persönlichkeit< die der >Psychopathie< ablöste. Das Projekt geht dabei von zwei Quellenbeständen mit insgesamt ca. 14.000 Einzelfallakten aus: Sie stammen aus der Abteilung für forensische Psychiatrie und Psychologie der Psychiatrischen und Nervenklinik der Charité bzw. aus der forensisch-psychiatrischen Abteilung am Institut für gerichtliche und soziale Medizin der Freien Universität (1970 verselbständigt zum Institut für Forensische Psychiatrie).
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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