(Un-)Sicherheit an der Schengen-Binnengrenze. Sicherheitsbezogene Praktiken staatlicher und nicht-staatlicher Akteure an der deutsch-polnischen Grenze
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des Projekts war es, am Beispiel der deutschen Grenze zu Polen die aktuellen Ausprägungen des Verhältnisses von staatlichen und nicht-staatlichen Praktiken der Grenzsicherung zu untersuchen. Dabei interessierte uns insbesondere subjektive Perspektiven von Menschen, die sich aktiv in Formen nicht-staatlichen Grenzschutzes engagieren (z.B. Bürgerwehren, Bürgerstreifen, Sicherheitspartnerschaften). Wir gingen u.a. davon aus, dass Vorstellungen von und Erwartungen an “Sicherheit” dabei eine große, möglicherweise aber auch diffuse Rolle spielen. Mit einem grundsätzlich praxistheoretischen Zugang wurde untersucht, • wie der Zusammen von Sicherheit und Grenze Im Zeitraum von 2006 bis 2016 für die deutsch-polnische Grenze repräsentiert wird (Assoziation der Grenze mit Grenzkriminalität und Kriminalitätsfurcht; emotionale Aufladung der Grenze als ‘unsicher’; • welche räumlichen und insbesondere skalaren Bezugnahmen in Repräsentationen von Sicherheit und Grenze artikuliert (Wahrnehmung der Grenzregion im Kontext der als „losgelöst“ und „entfernt“ erscheinenden regionalen und nationalen Politiken) werden; • auf welche Weise das Verhältnis von Staat und Gesellschaft in den grenzbezogenen Praktiken verhandelt wird (Analyse nicht-staatlicher Grenzsicherungspraktiken wie Bürgerstreifen, Bürgerwehren und Sicherheitspartnerschaften). Die Ergebnisse können zu folgenden fünf Punkten zusammengefasst werden: 1. Sowohl die Ergebnisse der textzentrierten wie auch der subjektzentrierten Verfahren zeigten durchgehend eine mindestens unterschwellige, teils auch explizite Assoziation der deutsch-polnischen Grenze mit kriminellen Phänomenen. Es wurde deutlich, dass der Beitritt Polens zum Schengen-Raum als zentrales politisches Ereignis vielfach weniger als Mobilitäts- und Kooperationsgewinn betrachtet wird, sondern als Gefährdung der Grenzregion. 2. Grenzbezogene Sicherheitspraktiken lassen sich formal unterscheiden in solche, die in den Zuständigkeitsbereich staatlicher Organe fallen, und solchen, die von privaten Akteuren wahrgenommen werden. Die tatsächliche Palette ist aber breiter, wenn man insbesondere das Engagement in Sicherheitspartnerschaften berücksichtigt, die - auf dem verordnungsweg ermöglicht - faktisch der Polizei unterstellt sind und organisatorisch von Polizeibeamt:innen angeleitet, betreut und verwaltet werden. 3. Motive für privates Engagement in Bürgerstreifen und Sicherheitspartnerschaften sind als ex post-Rationalisierungen häufig nur schwer zu rekonstruieren. Die Interviews gaben jedoch deutliche Hinweise auf eine heterogene Motivlage im Hinblick auf das Engagement in Bürgerstreifen: neben den expliziten genannten Vorstellungen, mit dem eigenen Engagement einem wahrgenommenen Kriminalitätsgeschehen etwas entgegensetzen zu können, wurde ein Verantwortungsgefühl gegenüber dem Ort betont. 4. Das zivile Engagement in der Grenzsicherung scheint biographisch verknüpft mit Erfahrungen existenzieller Verunsicherung nach 1989/90, die als Benachteiligungen und Ängste sowie fehlendes Vertrauen in “den Staat” zum Ausdruck kommen. Hinzu kommen teils diffuse Verunsicherungen, die direkt an Grenzpolitiken gebunden werden. 5. Mit Hilfe des Methoden-Mixes konnte im Rahmen der situational analysis die Bedeutung von Materialitäten in grenzbezogenen Praktiken herausgearbeitet werden. Diese materiellen Objekte haben neben ihrer funktionalen auch zentrale symbolische Funktionen in der Repräsentation des Einzelnen wie auch als Zeichen der Anerkennung zivilen Engagements durch staatliche Instanzen (z.B. Kleidung, Nachtsichtgeräte).
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Geographien der Unsicherheit: Bürgerwehren an der ostdeutschen EU-Binnengrenze. In: Naumann, Matthias; Becker, Sören (Hrsg.): Regionalentwicklung in Ostdeutschland. Dynamiken, Perspektiven und der Beitrag der Humangeographie. Berlin: Springer Spektrum, S. 71-82
Beurskens, Kristine & Miggelbrink, Judith
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Volatile Grenze. Diskurse und Praktiken der Integration und Desintegration am Beispiel der deutsch-polnischen Grenze. Covid-19 als Zäsur (Tagungsdokumentation), 4 Seiten. Herausgeber: AK Med. Geo.
Beurskens, Kristine; Miggelbrink, Judith & Renner, Nona
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Raus aus der Uni – ab in die Forschung: Praktikumseinblicke einer Dresdner Studentin. In: IfL-Blog [Weblog], 10. Juni 2021
Phan, Paul
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Border anxieties: populist emotional politics at internal EU borders. Space and Polity, 27(3), 290-308.
Beurskens, Kristine
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Schengen Borders as Lines that Continue to Separate? Media Representations of Pandemic Dimensions of Insecurity in Eastern German Border Regions to Poland. Journal of Borderlands Studies, 37(4), 825-846.
Renner, Nona; Miggelbrink, Judith; Beurskens, Kristine & Zitterbart, Antonia
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Von den Grenzen einer aktiven Zivilbevölkerung. In: IfL-Blog [Weblog], 17. Juni 2022
Rentzsch, S.
