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Entnetzung. Imaginäre, Medientechnologien, Politiken
Antragsteller
Professor Dr. Timon Beyes; Professor Dr. Urs Stäheli
Fachliche Zuordnung
Theater- und Medienwissenschaften
Soziologische Theorie
Soziologische Theorie
Förderung
Förderung von 2018 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 398791577
Digitale Kulturen sind wesentlich durch medientechnologisch ermöglichte und strukturierte Konnektivität geprägt: seien es Social Media, Texting, Unternehmensnetzwerke oder Streamingdienste. Die frühen Utopien der Netzkultur, aber auch gegenwärtige Semantiken, formulieren häufig euphorische Vorstellungen universaler Inklusion und Anschlussfähigkeit. Das Vertrauen, dass die Erweiterung von Netzwerken per se wünschenswert sei, ja sogar ein demokratisches gesellschaftliches Versprechen formuliere, charakterisiert nicht nur digitale Medien und deren Einbettung in alltägliche Praktiken, sondern auch deren Reflexion in den meisten gegenwärtigen Netzwerk- und Kommunikationstheorien. Damit einher geht ein (implizit oder explizit) normativer Vernetzungsbegriff. Die Kehrseiten von Vernetzung – unterschiedliche Formen der Entnetzung – sind jedoch bis vor kurzer Zeit von der medien- und organisationssoziologischen ebenso wie von der medienwissenschaftlichen Forschung kaum zur Kenntnis genommen worden. Das Projekt konzipiert Entnetzung als eigenständige (und nicht defizitäre) soziale und medientechnologische Praxis. Es untersucht in drei Arbeitsbereichen die Imaginäre, Technologien und Politiken, die mit der taktischen und strategischen Schaffung von Situationen der Entnetzung einhergehen. Entnetzung wird dabei nicht als ein absoluter Zustand gefasst (also das vollständige Verlassen von Netzwerken), sondern als temporäres und situatives Gefüge, das der Reduktion von Erreichbarkeit dient. Bei den uns interessierenden Phänomenen handelt es sich somit nicht um den Ausstieg aus digitalen Netzwerken oder um die bloße Begrenzung der Reichweite digitaler Medien, sondern um raum-zeitlich prekäre Situationen der Reduzierung von Konnektivität innerhalb von Netzwerken. Entnetzung bedeutet daher nicht, dass Netzwerke aufgelöst werden, sondern dass in ihnen "Zonen" der Entnetzung geschaffen werden. Damit ist Entnetzung auch nicht per se subversiv, sondern kann ebenso zur Aufrechterhaltung und Stabilisierung dieser Netzwerke beitragen und möglicherweise sogar Grundlage für neue, alternative Formen der Vernetzung werden. Aus der Arbeit des Projektes resultiert die erste systematische Untersuchung sowie die vertiefte, fallstudienbasierte Analyse der Narrative, Technologien und Politiken der Entnetzung. Theoretisch stellt das Phänomen der Entnetzung die analytische Reichweite von relationalen Theorien auf den Prüfstand und macht die Entwicklung neuer Begriffe und Analytiken notwendig. Unsere Annahme, dass Entnetzung nur in der Vernetzung zu denken ist, strukturiert auch die theoretische Situierung unseres Projektes. In diesem Sinne schließen wir kritisch insbesondere an die Actor-Network-Theory (ANT) und Theorien der Konnektivität an, um diese durch unsere Arbeit in Richtung einer Theorie der Entnetzung weiterzuentwickeln.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen