Die Relevanz kontextabhängiger Extinktionsprozesse für die Entstehung experimentell induzierter Intrusionen
Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Kontextabhängige Extinktionsprozesse werden in Interaktion mit einer geringeren Fähigkeit zur Mustertrennung und dysfunktionaler Emotionsregulation als zentrale Mechanismen in der Entstehung und Aufrechterhaltung der posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) diskutiert, was zu einem intrusiven Wiedererleben des Traumas auch in sicheren Kontexten führt. Um die Relevanz dieser Prozesse und deren neuronaler Grundlagen für die Prädiktion intrusiven Wiedererlebens zu überprüfen, wurde in der aktuellen Studie mit 94 gesunden weiblichen Probandinnen das Trauma- Film-Paradigma eingesetzt und intrusives Wiedererleben des Trauma-Films nach einer Woche (kurzfristig) sowie 3 Monaten (langfristig) erfasst. Das Trauma-Film-Paradigma stellt eine gute Möglichkeit dar, um die oben skizzierten Prädiktionsfragestellungen in einem ökologisch validen und trotzdem effizienten Design in gesunden Stichproben zu untersuchen, wohingegen Längsschnittstudien bzgl. der Entwicklung von PTSD z.B. in Hochrisikogruppen nur sehr aufwändig zu realisieren sind. Im Hinblick auf kontextabhängige Extinktionsprozesse konnte in der aktuellen Studie festgestellt werden, dass insbesondere ein reduzierter Extinktionsabruf in einem eigentlich sicheren Kontext häufigeres intrusives Wiedererleben in Bezug auf den Trauma-Film nach 3 Monaten vorhersagte. Dies zeigte sich in einer verstärkten konditionierten elektrodermalen Reaktion sowie einer reduzierten Aktivierung des ventromedialen präfrontalen (vmPFC) Kortex während des frühen Extinktionsabrufs. Auch Intrusionen in Reaktion auf real erlebte aversive Ereignisse waren mit einer geringeren konditionierten elektrodermalen Reaktion und geringerer Aktivierung des vmPFC im Extinktionsabruf assoziiert, was die Validität der Befunde aus dem Trauma-Film-Paradigma bestätigt und mit bisherigen Befunden bezüglich eines reduzierten Extinktionsabrufs bei PTSD übereinstimmt. Darüber hinaus zeigte sich wie erwartet ein Zusammenhang der behavioralen Mustertrennungsfähigkeit mit kontextabhängiger Furchtkonditionierung. Insbesondere während des Extinktionsabrufs in einem neuen Kontext (Renewal) war eine bessere Mustertrennungsfähigkeit mit verstärkter Aktivierung des (dorsalen anterioren cingulären Kortex) dACC und der rechten Insula verbunden. Jedoch blieb die erwartete Aktivierung des Hippocampus aus. Zudem konnte kein Zusammenhang zwischen der Mustertrennungsfähigkeit und im Rahmen des Trauma-Film- Paradigmas induzierten Intrusionen sowie Intrusionen auf real erlebte aversive Ereignisse gefunden werden. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Defizite in Hippocampus-abhängigen kontextuellen Verarbeitungsprozessen (zumindest in dieser Analogstudie) keine relevanten Prädiktoren für die Entwicklung von Intrusionen darstellen, sondern möglicherweise im Rahmen der Entstehung einer PTSD erworben werden. Jedoch könnte die Mustertrennungsfähigkeit über eine Beeinflussung kontextabhängiger Extinktionsprozesse indirekt zur Ätiologie der PTSD beitragen. Bezüglich der Emotionsregulation konnten wir in dieser Studie feststellen, dass überdauernde Effekte von Emotionsregulation sich insbesondere bei der Taktik der Reinterpretation in Form von reduzierten negativen Gefühlen sowie verstärkter Aktivierung von Amygdala und vmPFC zeigen. Dieser Effekt könnte möglicherweise durch eine stärkere Induktion positiver Gefühle durch die Taktik der positiven Reinterpretation oder durch verstärkte Inhibitionsprozesse zustande kommen. Allerdings führte ein Vergleich von Reinterpretation mit Distanzierung nicht zu signifikanten Unterschieden, was die Spezifität der Ergebnisse einschränkt. Experimentell induzierte Intrusionen nach 3 Monaten konnten darüber hinaus durch geringere negative Gefühle und eine geringere Insula-Aktivierung während der Re-Exposition für die Regulationstaktik Distanzierung vorhergesagt werden. Diese Ergebnisse ergänzen bisherige Befunde, die zeigen, dass die Tendenz bei Erinnerung an das Trauma spontan eine Beobachterperspektive einzunehmen eine stärkere Entwicklung von PTSD-Symptomen vorhersagt. Die aktuellen Befunde geben weiterhin Hinweise darauf, dass eine bessere Fähigkeit Distanzierung zur Regulation von Emotionen einzusetzen mit der Entwicklung intrusiven Wiedererlebens zusammenhängt. Die Resultate dieser Studie können dazu beitragen, prädisponierende Faktoren der PTSD von erworbenen Defiziten zu differenzieren, um damit die Entwicklung präventiver Verfahren bzw. früher Interventionen nach traumatischen Ereignissen zu verbessern. In zukünftigen Studien sollte die klinische Relevanz dieser Studienergebnisse beispielsweise durch Längsschnittstudien zur Entwicklung intrusiven Wiedererlebens nach traumatischen Ereignissen in Hochrisikogruppen überprüft werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2019). A matter of context? Neural correlates of context-dependent fear conditioning. European Meeting on Human Fear Conditioning, 06.-08.05.2019, Würzburg
Neudert, M.K., Zehtner, R.I., Fricke, S., Bohlender, R., Jänicke-Reißig, S., Stark, R., & Hermann, A.
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(2019). Neuronal correlates of fear conditioning and its association to pattern separation. 9th World Congress of Behavioural and Cognitive Therapies, 17.-20.07.2019, Berlin
Neudert, M.K., Zehtner, R.I., Fricke, S., Bohlender, R., Jänicke-Reißig, S., Stark, R., & Hermann, A.
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(2019). Welche Relevanz hat die Mustertrennungsfähigkeit für neuronale Korrelate der Furchtkonditionierung? 45. Tagung Psychologie und Gehirn, 20.-22.06.2019, Dresden
Neudert, M.K., Zehtner, R.I., Fricke, S., Bohlender, R., Jänicke-Reißig, S., Stark, R., & Hermann, A.
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(2019). Zusammenhang zwischen Pattern Separation und Hippocampus-Volumen. 45. Tagung Psychologie und Gehirn, 20.- 22.06.2019, Dresden
Küss, A.M., Neudert, M.K., Zehtner, R.I., Stark, R., Hermann, A.