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Die Umweltepigenetik situiert verstehen. Eine vergleichende, akteurszentrierte Studie der Umweltepigenetik als aufstrebender Forschungsansatz in drei Forschungsfeldern.

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2018 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 403161875
 
Die Epigenetik erforscht Veränderungen in der Genaktivität, die nicht durch Mutationen im genetischen Code ausgelöst werden, sondern durch chemische Modifikationen auf der DNA. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass epigenetische Modifikationen und damit die Genexpression durch Umwelteinflüsse signifikant verändert werden können, etwa durch Umweltgifte, Ernährung, Trauma oder Stress. Die daraus resultierenden Forschungszugänge der "Umweltepigenetik" eröffnen so neuartige, wichtige Möglichkeiten für Lebenswissenschaften und Gesellschaft, um die Entstehung einer Vielzahl von Krankheiten besser zu verstehen.In den Sozialwissenschaften wurde die Umweltepigenetik bisher mit Enthusiasmus und Skepsis rezipiert. Manche sehen hier eine neue Form der Biologie, die die Relevanz sozialer Kontexte für biologische Prozesse anerkennt und es erlaubt, Fragen sozialer Gerechtigkeit in die biologische Forschung zu integrieren. Andere bezweifeln, dass die Umweltepigenetik tatsächlich eine solche Öffnung darstellt und mit biozentrischen Perspektiven bricht, und befürchten, dass die epigenetische Markierung einen neuen Ort biologischer Determinierung darstellen könnte. Die Einschätzungen der epistemischen, sozialen und politischen Potenziale der Umweltepigenetik divergieren also derzeit signifikant.Wir postulieren, dass diese Dissonanz zum Teil darauf beruht, dass das Aufkommen der Umweltepigenetik häufig als einheitliche epistemische Transformation diskutiert wird. Die Charakteristika der Umweltepigenetik werden meist entweder quer zu Forschungsfeldern diskutiert, ohne auf feldspezifische Unterschiede zu achten, oder von Fallstudien in einem einzigen Forschungsfeld oder Labor abgeleitet. Dieses Projekt wählt stattdessen den Zugang, systematisch zu vergleichen, welche Charakteristika die Umweltepigenetik in drei Forschungsfeldern von großer gesundheitspolitischer Relevanz annimmt: in der Ernährungsepidemiologie, Umwelttoxikologie und der Pathophysiologie von Angst- und Affektstörungen. Mittels qualitativer Methoden (Interviews, ethnographische Beobachtungen, Dokumentenanalyse) wird untersucht, wie Schlüsselforschende in diesen Feldern umweltepigenetische Ansätze in ihrer Forschung anwenden; welche Bedeutung sie diesen für ihr Feld als solches zumessen; und wie sie ihr biologisches und soziales Verständnis von Gesundheit und Krankheit beeinflussen. Der Vergleich erlaubt uns, dafür offen zu sein, dass die Umweltepigenetik in diesen Feldern zu einem unterschiedlichen „epistemischen Ding“ (Rheinberger, 1997) werden kann, mit unterschiedlichen sozialen und politischen Implikationen. Dieser Zugang beruht auf zentralen Einsichten der Science & Technology Studies zum situierten Charakter wissenschaftlichen Wissens und der Notwendigkeit kontextsensitiver Methoden. Neben seinem Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Debatte wird das Projekt auch den konstruktiven Dialog zwischen den Sozial- und Lebenswissenschaften fördern.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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