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Medien und islamistische Radikalisierung. Eine Analyse reziproker Medienwirkungen auf islamistische Radikalisierungsprozesse sowie der Merkmale und Ursachen der Lokalberichterstattung über die islamistische Szene

Fachliche Zuordnung Publizistik und Kommunikationswissenschaft
Förderung Förderung von 2018 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 407501391
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Islamismus ist ein globales Problem, dem oft lokale Radikalisierungsprozesse mit öffentlichem Erregungspotenzial vorausgehen. Daher wurde in fünf lokalen Brennpunkten mit starker islamistischer Szene kommunikationswissenschaftlich untersucht, (a) wie Berichterstattung und Propaganda auf islamistische Akteure wirken, (b) wie sich die hier relevanten Berichterstattungsmuster beschreiben lassen und (c) welchen Einflüssen jene Berichterstattung unterliegt. Die Befunde zeigten, dass sich die islamistische Radikalisierung von lokalen Akteuren auch über Berichterstattung und deren Wechselwirkung mit Propaganda erklären lässt. Als problematisch erwiesen sich Berichterstattungsmuster, die die Gefährlichkeit der lokalen Szene betonen und konstruieren, etwa indem sie den Islam stereotyp in einen Radikalisierungskontext stellen, einzelnen Köpfen der Szene zu lokaler Prominenz verhelfen, salafistische Gruppierungen vor Ort mit Gewalt assoziieren und Gewaltinszenierungen eine Plattform bieten. Islamistische Akteure betrachteten journalistische Medien einerseits als Indikator für einen staatlich-medialen Kampf gegen den Islam, der Gegenwehr erfordere, andererseits als Anreiz, durch Radikalisierung Medienaufmerksamkeit zu erlangen. Die Befunde deuten darauf hin, dass die journalistische Betonung islamistischer Gefahren zu einem Meinungsklima beitrug, in dem staatliche Akteure mit repressiven Maßnahmen die salafistische Szene schließlich zum Rückzug aus dem öffentlichen Raum bewegten. Im Einklang mit diesen Medienwirkungsbefunden lag der Fokus der stark ereignisgetriebenen Lokalberichterstattung auf islamistischer Gewalt und staatlichen (Gegen-) Maßnahmen. Islamismus-Gefahren wurden gerade durch mangelnde Differenzierung zwischen Islam, nicht-gewaltbereitem und gewaltbereitem Islamismus konstruiert. Zwischen Brennpunkten variierende Berichterstattungen ließen sich weitgehend über Schlüsselereignisse erklären. Diese bestanden in Aktivitäten der lokalen Szene, die im Fall von Gewalt die gewünschte Medienplattform erhielten, während gewaltfreie Aktivitäten im Ergebnis zu medialen Übertreibungen von Gefahren führten, die nicht mehr der Wunschdarstellung der jeweiligen Szene entsprachen. Relevante Berichterstattungsmuster erklärten sich (a) auf einer Mikroebene über das eher passive journalistische Rollenverständnis sowie die Unsicherheit der Journalist:innen über das tatsächliche Gefahrenpotenzial, (b) auf einer Mesoebene über mangelnde redaktionelle Ressourcen sowie (c) auf einer Makroebene über Medienwettbewerb, journalistische Koorientierung und die Komplexität der Islamismus-Problematik. Entsprechend zeigte sich eine Abhängigkeit des Journalismus von Informationen der Sicherheitsbehörden, die diesen das Potenzial zur Instrumentalisierung der Medien verlieh. Insgesamt wurde deutlich, dass journalistische Produktionsbedingungen im Endeffekt auch im Kontext von Prävention und (De-) Radikalisierung relevante Stellschrauben für medienethisches Handeln sind.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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