Einfluss von Urbanisierung und anthropogenen Futterquellen auf Ökologie und Energiehaushalt des Eurasischen Eichhörnchens (Sciurus vulgaris)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Menschliche Aktivitäten verändern die Erde auf vielfältige Weise. Verstädterung gehört zu den deutlichsten Veränderungen und konfrontiert Wildtiere mit multiplen Stressfaktoren, wie z. B. Habitat-Fragmentierung, starke Bebauung, veränderte Vegetation, Störungen, Verkehr, Lärm oder Schadstoffe. Viele Arten können diese umfangreichen Störungen nicht tolerieren und somit trägt Verstädterung zum weltweit anhaltenden Verlust an biologischer Vielfalt bei. Dennoch scheinen einige Arten in Städten erfolgreich zu sein und sogar in höherer Dichte als in ihren natürlichen Lebensräumen vorzukommen. Dieses Phänomen ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass es weniger natürliche Fressfeinde gibt und sich höhere Temperaturen ("städtische Wärmeinsel"), der ganzjährige Zugang zu menschlichen Abfällen und Zufütterung günstig auswirken. Im Rahmen dieses Projekts untersuchten wir die Anpassungen eines weit verbreiteten Säugetiers auf das Leben in der Stadt und die damit verbundenen Veränderungen des Nahrungsangebots und der Temperatur. Rote Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) sind von Natur aus waldabhängig und bevorzugen Samen und Nüsse in ihrer Ernährung, fressen aber je nach Verfügbarkeit auch diverse andere Nahrung. Wir haben Feldstudien in städtischen Parks im Zentrum einer Großstadt und in einem nahen Wald mit Experimenten in Freigehegen kombiniert, um die Ökologie, das Nahrungsverhalten und die Physiologie von Stadthörnchen im Vergleich zu Waldhörnchen zu untersuchen. Trotz höherer Populationsdichten in allen städtischen Untersuchungsgebieten im Vergleich zum Wald konnten wir erhebliche Unterschiede zwischen den Parks feststellen, die wahrscheinlich auf Unterschiede im natürlichen und zusätzlichen Nahrungsangebot zurückzuführen sind. Dies verdeutlicht die Heterogenität städtischer Lebensräume, in denen sich Umweltbedingungen innerhalb weniger 100 Meter unterscheiden können. Weiterhin unterschieden sich Stadthörnchen von Waldhörnchen in ihrer Nahrungswahl, vor allem durch den Verzehr größerer Mengen nicht natürlicher Nahrung und vermutlich gesundheitsrelevanter Mengen an Zucker. Körpergewicht und Kondition, die beide für das Überleben und die Fortpflanzung von Eichhörnchen relevant sind, waren jedoch geringer, was auf eine nicht angemessene Nährstoffversorgung schließen lässt. Außerdem erhöhte sich der Energieverbrauch bei Stadthörnchen weniger stark bei niedrigeren Temperaturen, vermutlich auf Grund der generell wärmeren Temperaturen in Städten und dem stabileren Nahrungsangebot. Unsere Ergebnisse deuten zwar darauf hin, dass urbane Eichhörnchen bei Kälte Energie sparen, bei wärmeren Temperaturen jedoch höhere Ausgaben haben. Letzteres ist im Hinblick auf den globalen Klimawandel und den damit verbundenen Temperaturanstieg, insbesondere in Städten, besorgniserregend. Die Ergebnisse unseres Projekts unterstreichen, dass eine hohe Dichte nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer langfristig erfolgreichen Population ist. Zu untersuchen, ob und wie sich urbane von nicht-urbanen Tieren unterscheiden, ist für ein besseres Verständnis der städtischen Artenvielfalt und für das Abmildern negativer Auswirkungen von entscheidender Bedeutung. Die Beschränkung des Zugangs zu menschlichen Abfällen und die Aufklärung der Öffentlichkeit über eine angemessene Zufütterung könnten wichtige Instrumente der Stadtplanung und des Naturschutzes sein, um eine gesunde Ernährung der städtischen Wildtiere zu gewährleisten. Darüber hinaus können Maßnahmen zur Stadtbegrünung, die kühlende Effekte mit sich bringen, von entscheidender Bedeutung sein, nicht nur um Lebensraum, Unterschlupf und geeignete Nahrung für Wildtiere zu schaffen, sondern auch um die Auswirkungen des Klimawandels in Städten sowohl für Menschen als auch für Wildtiere abzumildern.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Crowded in the city: Effects of urbanization and anthropogenically-provided food sources on the ecology and energy budgeting of the Eurasian red squirrel (Sciurus vulgaris). International Squirrel Colloquium, Galway, Ireland, 2019.
Wist B.; Probst B.; Reher S.; Teich E.; Thomas L.; Turner J. & Dausmann KH
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Sugar addicted in the city: impact of urbanisation on food choice and diet composition of the Eurasian red squirrel (Sciurus vulgaris). Journal of Urban Ecology, 8(1).
Wist, Bianca; Stolter, Caroline & Dausmann, Kathrin H.
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City comfort: weaker metabolic response to changes in ambient temperature in urban red squirrels. Scientific Reports, 13(1).
Wist, Bianca; Montero, B. Karina & Dausmann, Kathrin H.
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Food availability and population parameters for squirrels differ even in neighbouring urban parks. Urban Ecosystems, 27(2), 531-544.
Wist, Bianca & Dausmann, Kathrin H.
