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Leben, Lernen, Erzählen in der dritten Lebensphase. Eine qualitative Panelstudie zu Identitätskonstruktionen und Lern- und Bildungsprozessen in biographischen Wiedererzählungen

Fachliche Zuordnung Erziehungswissenschaftliche Sozialisations- und Professionalitätsforschung
Förderung Förderung von 2019 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 417578587
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Gegenstand des Projektes ist die Untersuchung von Identitätskonstruktionen, Lern- und Bildungsprozessen sowie dem Umgang mit dem Alter in der dritten Lebensphase, wie sie sich im Längsschnitt-Design in Form von zwei narrativen Interviews, die im Abstand von zehn Jahren mit denselben Personen erhoben wurden, darstellen. Die zentrale Frage lautet: Wie können in der Biographieforschung Prozesse und Transformationen angemessen erfasst werden? Mit unserem methodischen Design des Längsschnitts und der Auswertung anhand des narrationsstrukturellen Verfahrens nach Schütze sowie unseren Modifikationen daran haben wir grundsätzlich zwei Zugänge zu Prozessen und Transformationen, zum einen über die Rekapitulationen der Interviewpersonen, zum anderen über die Erhebung zu zwei Zeitpunkten. Mit unserem Projekt konnten wir unterschiedliche Auffassungen, die in der Literatur vertreten werden, differenzieren: die Auffassung, Prozesse seien in der Biographieforschung vorrangig durch Längsschnitt-Designs zu erfassen, die These von Kramer (2020), qualitativ-rekonstruktive Forschung sei genuin auf Kontinuität angelegt und die Auffassung, Identitätskonstruktionen werden in der Erzählsituation jeweils neu hergestellt. Unsere Auswertungen haben gezeigt, dass ein Längsschnitt-Design nicht alle möglichen Veränderungsdimensionen aufzeigt. So konnte eine Habitustransformation im ersten narrativen Interview eines Falles, also in einer Einmalerhebung, aufgezeigt werden, während sich die Welt- und Selbsthaltung der Person in den zehn Jahren, die der Längsschnitt fokussiert, nicht verändert hat. Selbst wenn signifikante Änderungen in den Lebenssituationen eintreten, muss sich die Haltung einer Person nicht ändern. Wir haben sowohl Fälle mit signifikanten Veränderungen als auch Fälle ohne signifikante Veränderungen in Hinsicht auf Lebenssituationen und Haltungen im Längsschnitt identifiziert. Veränderungen sind also eher in den jeweiligen Falltypiken begründet. Dennoch beinhaltet die Anwendung eines Längsschnitt-Designs einen Mehrwert. Die Relativität von Einmalerhebungen wird deutlich, denn entweder entwickeln sich völlig neue Situationen und Haltungen, die aufgrund einer Einmalerhebung nicht zu antizipieren waren, oder es werden weitere Informationen ergänzt, die entweder die bisherigen Ergebnisse bestätigen oder sie differenzieren. Nach unserer Auffassung bietet die Verbindung von narrationsstrukturellem Verfahren und Längsschnitt-Design die beste Erfassung von Prozessen. Die Identitätskonstruktionen der Interviewpersonen speisen sich aus Erfahrungen und Interaktionen mit anderen und beeinflussen weitgehend die Lern- und Bildungsprozesse. Vielfach steuern Kindheitsprägungen die Entwicklung von Lebenszielen und den Aufbau der Welt- und Selbsthaltungen. In Interaktionen zeigt sich, dass intensive Beziehungen zu anderen Offenheit, Dialogfähigkeit und Mehrperspektivität fördern. In unserer Untersuchung reicht die Bandbreite beim biographischen, längerfristigen Lernen von expliziter Persönlichkeitsbildung über informelles Lernen, emotionalintuitives Lernen, erfahrungsresistentes Lernen bis zum Nichtlernen im biographischen Zusammenhang. Je nach Identitätskonstruktion hat das Thema Alter subjektiv für die Interviewpersonen unterschiedliche Bedeutung. Teilweise sehen sie sich nach wie vor als jung und leistungsfähig an, teilweise verdrängen sie das Alter, teilweise setzen sich mit dieser Lebensphase aktiv auseinander und entwickelt Positionen im Sinne der Lebenskunst des Alters. Die Erfassung von Prozessen zeigt sich in der Untersuchung von Zeitdimensionen des Biographischen. Wir haben in unserem Projekt biographische Zeitdimensionen auf unterschiedlichen Ebenen untersucht: 1) in der Anwendung des narrationsstrukturellen Verfahrens durch Analyse der Erzählstrukturen in Hinsicht auf Prozesse, 2) in der Analyse narrativer Identität, 3) in der Analyse von Lern- und Bildungsprozessen, 4) in der inhaltlichen Fokussierung auf die dritte Lebensphase, 5) in der Anwendung des Längsschnitt-Designs, 6) in der Analyse des subjektiven Zeiterlebens in gesellschaftlicher Zeitlichkeit und 7) in der Analyse historisch-gesellschaftlicher Zeitdimensionen als Zeitdiagnosen. Die Entwicklungen von Personen lassen sich diachron und synchron durch subjektive Rezeptionen gesellschaftlicher Strukturen oder Diskurse zum Ausdruck zu bringen, die die Bedeutung von zeitbezogenen Veränderungen auf die Individuen zeigen und die bei Kollisionen zwischen Subjekt und gesellschaftlicher Struktur durch biographische Arbeit ausgeglichen werden müssen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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