Detailseite
Projekt Druckansicht

Neuedition der Vita Abt Wilhelms von Hirsau

Antragsteller Dr. Denis Drumm
Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung von 2019 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 422724299
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Für die Erforschung des Klosters Hirsau stehen wenige zeitnahe Quellen zur Verfügung. Eine der Schlüsselquellen für die Geschichte Hirsaus ist die Vita des Abtes Wilhelm, der dem Kloster von 1069-1091 vorstand. In der Forschung spielte dieser Text bisher eine untergeordnete Rolle. Obwohl die Vita immer wieder als zentrales Dokument für die Geschichte des Klosters Hirsau und des Investiturstreits herangezogen worden ist, ist sie dennoch kaum in ihrer Gesamtheit quellenkritisch untersucht worden. Im Zuge der Neuedition der Vita war es notwendig, eine Reihe von Aussagen zur Vita anders einzuordnen und neu zu deuten. Die Neuedition bietet erstmals den Vitentext auf der Grundlage einer vergrößerten Textbasis an Abschriften, kommentiert und eingeleitet unter Berücksichtigung der neueren mediävistischen Forschungen. Die erweiterte Textbasis lässt zahlreiche Rückschlüsse über den Text als Ganzes sowie über dessen Verbreitungsmechanismen zu. Dabei offenbart sich eine Dominanz von Abschriften, die aus dem 15. Jahrhundert stammen und unter dem Eindruck der spätmittelalterlichen Reformen verbreitet wurden. Vor diesem Hintergrund muss neu über die Idee einer Hirsauer Reform nachgedacht werden. Mittels der Wilhelmsvita lässt sich anschaulich zeigen, wie ein Text in neue Überlieferungskontexte eingebettet werden konnte. Es kann belegt werden, dass in Zeiten von Reformbewegungen bewusst auf alte Texte zurückgegriffen wurde und ihnen eine neue Relevanz zugewiesen werden konnte. Außerdem lassen die Wilhelmsvita und ihre Verbreitung keinen Zweifel daran, dass Reform- und Ordensgrenzen bei der Überlieferung hagiografischer Texte keine entscheidende Rolle spielten. Die Neuedition reflektiert erneut über die Intention der Abfassung, die Zeitumstände der Niederschrift sowie das darin enthaltene Geschichtsbild. Dabei wird deutlich, wie die Zeitumstände einer Umbruchsphase im Kloster in den Text eingeflossen sind. Themen wie die zukünftige Ausrichtung des Konvents sowie der Erhalt von Abt Wilhelms Vermächtnis bestimmen die Erzählung. Der verstorbene Wilhelm wird hierbei zum himmlischen Garanten für den weiteren Fortbestand des Klosters und seines Vermächtnisses. Ein solcher Text kann in dieser Form nur in Folge der inneren Auseinandersetzungen mit Abt Gebhard († 1107) niedergeschrieben worden sein. Es zeigt sich, dass er ursprünglich nur in Hirsau vollständig verstanden werden und erst später in anderen Kontexten eine neue Relevanz entwickeln konnte. Der Autor griff bei der literarischen Gestaltung auf zwei andere zeitgenössische Viten zurück: die Vita Bischof Ulrichs von Augsburg, geschrieben von Bern von Reichenau, sowie die sogenannte Touler Vita Papst Leos IX. Auffällig ist, dass der Autor der Vita Wilhelmi fast ausschließlich in Kapiteln auf diese beiden Vorlagen zurückgriff, in denen es um den Charakter und das alltägliche Verhalten Wilhelms ging. Der hierdurch entstandene Wilhelm ist somit über weite Strecken eine literarische Dublette der beiden berühmten Vorbilder. Somit ist kritisch zu fragen, wie sehr moderne Rekonstruktionen von Wilhelms Leben und des Klosters Hirsau auf einem Text wie der Wilhelmsvita beruhen können.

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung