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Anrufe beim Ministerium für Staatssicherheit: Beziehungsgestaltung als Vollzug gegenseitiger Beobachtung

Antragstellerin Dr. Olga Galanova
Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2019 bis 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 427723908
 
Die beim öffentlichen Netz des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit eingehenden Anrufe stellen bisher unerforschtes Datenmaterial dar. Eine mikrosoziologische Untersuchung dieser telefonischen Kontaktaufnahmen mit dem (Inlands-)Geheimdienst trägt dazu bei, diese bestehenden Forschungslücken – sowohl in historischer Analyse technischer Kommunikation als auch in soziologischen Beschreibungen der Überwachungspraxis – zu schließen. Ziele des Projektes sind also, das unbekannte Datenmaterial zu erschließen und den historischen Blick auf die Verhältnisse zwischen DDR-BürgerInnen und Staat für Fragen der Medien-, Interaktions- und Beziehungsformen zu schärfen, sowie gleichzeitig anhand geheimdienstlicher Quellen die Forschung über die Auswirkungen machtzentrierter staatlicher Überwachung um einen neuen thematischen Fokus zu erweitern. Dieser Fokus entwickelte sich nach einer Pilotarbeit an einem kleinen Teil des Datenmaterials und richtet sich auf den interaktiven Vollzug von Praktiken gegenseitiger Beobachtung. Methodisch werden diese Ziele durch eine entsprechende Datenaufbereitung und detaillierte konversationsanalytische Beschreibungen wechselseitiger Adressatenzuschnitte erreicht, die als Mechanismen der Verständigung und als „Methoden“ zur gemeinsamen Formierung unterschiedlicher Beziehungstypen zwischen einem Offizier vom Dienst und den AnruferInnen von innerhalb und außerhalb der DDR beschrieben werden. Obwohl die Analyse rezipientenspezifischer Zuschnitte von Äußerungen eine ethnomethodologische Kernannahme darstellt und eine lange empirische Tradition hat, wurde sie in dieser Kombination noch nie angewandt. Das Resultat wird gegenüber bisherigen Theorien zu staatlicher Macht insofern eine Provokation sein, als nicht nur eine (unterdrückende) Überwachungsdimension in den Blick genommen wird, sondern über die Analyse verschiedener wechselseitiger Adressatenzuschnitte die Konstituierung gegenseitiger Beobachtung beschreibbar wird.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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