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Verbindungen und Ausgrenzungen zwischen Christen und Juden zur Zeit der Reformkonzilien des 15. Jahrhunderts

Antragsteller Professor Dr. Alfred Haverkamp (†)
Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung von 2007 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 43127036
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Fokus der Untersuchung standen in europäischer Perspektive die verschiedenen Ebenen des Kontakts, Austauschs und Konflikts zwischen Christen und Juden während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Diese wurden nicht zuletzt durch die das Umfeld der großen Reformkonzilien prägenden Diskussionen maßgeblich beeinflusst und zumindest in Teilen einem Wandel unterzogen. Dessen bedeutsamstes Charakteristikum stellt die massive Verdichtung exkludierender Tendenzen von christlicher Seite vor allem seit den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts dar, wobei sich der Diskurs auch auf ältere Traditionen und Vorgaben des Früh-und Hochmittelalters insbesondere aus der mediterranen Welt bezog, deren Inhalte jedoch teilweise entlang der Konflikte und Deutungsmuster der eigenen Gegenwart verschärfte. Dies ist mit einem engeren Bezug auf die Amtskirche, das Große Abendländische Schisma und die "via concilii" insbesondere mit der Tatsache in Verbindung zu bringen, dass die Diskussionen um eine Reform der Kirche und die diesbezüglich zu ergreifenden Maßnahmen auch eine Thematisierung des Verhältnisses zu anderen Religionen zumindest begünstigten, wenn nicht sogar eine Notwendigkeit programmatischer Richtlinien implizierten. Im Gegensatz zu früheren Kirchenversammlungen, die häufig ebenfalls unter einem ausgesprochenen Reformanspruch einberufen worden waren, fand dies nun während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts aufgrund der kirchenpolitischen Rahmenbedingungen nicht mehr unter einer ausgeprägten Führungsrolle des Papsttums statt. Die durch die päpstliche Vormachtstellung geprägten früheren Konzilien lieferten aber für die Frage nach dem Verhältnis zwischen beiden Religionen und der Regelung des Zusammenlebens im Alltag wesentliche Anknüpfungspunkte. Bezeichnenderweise war es im christlichen Bereich eben das unter der Leitung des kirchenrechtlich hochgelehrten Papstes Innozenz III. stehende IV. Laterankonzil, auf welchem 1215 erstmals allgemein für die unter christlicher Herrschaft befindlichen Gebiete die Forderung einer über das äußere Erscheinungsbild zu gewährleistenden Unterscheidungsmöglichkeit zwischen der christlichen Bevölkerung und den in jenen Reichen lebenden Juden (und Muslimen) formuliert wurde. Diese in die "canones" des IV. Lateranums aufgenommene Vorgabe gewann - auch wegen der in der Realität trotz zahlreicher Bemühungen kaum dauerhaft erfolgten Umsetzung - Vorbildcharakter für die entsprechenden Vorgaben späterer Konzilien und Synoden bis hin zu dem für das Projekt höchst bedeutsamen Basler Judendekret von 1434, das eine tatsächliche Befolgung derartiger Vorgaben durchzusetzen bemüht war. Allerdings brachte das Pontifikat Innozenz III. bereits längere Zeit vor dem IV. Lateranum eine deutliche inhaltliche Verschärfung der von Augustinus bekannten Herleitung einer Duldung von Juden durch Christen und auch der päpstlichen Position in der Frage des Umgangs mit den durch Zwangstaufe zum Christentum "bekehrten" Juden mit sich. Gerade vor dem Hintergrund solcher Verknüpfungen und Traditionen ist die Vernachlässigung der Untersuchung der Beziehungen zwischen Christen und Juden durch die ältere Konzilienforschung höchst bedauerlich. Die im Falle einer Erwähnung dieses Themenfeldes zumeist umgehend erfolgende Relativierung desselben als "Sonderfall" übersieht die elementare Bedeutung der Juden und der Beziehungen zu den Juden für die "Identität" des Christentums; auch und insbesondere aus der Sicht der Amtskirche. Gerade die Juden standen im Spannungsfeld verschiedenster Ansprüche und entsprechender Regelungsbestrebungen, an denen neben den Konzilien im Reichsgebiet auch der Kaiser, der Papst, die Bischöfe und weitere kirchliche Amtsträger sowie im Verlaufe des Spätmittelalters nun auch zunehmend weltliche Fürsten und städtische Führungsgremien beteiligt waren. Vor allem die Beziehungen zwischen Christen und Juden sind daher nach den Ergebnissen des Projekts als ein Bereich anzusprechen, auf welchen zur Zeit der Reformkonzilien des 15. Jahrhunderts verschiedenste Reformvorhaben der weltlichen Herrschaft wie auch kirchlicher Amtsträger Einfluss zu nehmen bestrebt waren. Hierbei konnten unter dem Label der Reform von den genannten Akteuren gänzlich unterschiedliche oder gar gegensätzliche Interessen verfolgt werden.

 
 

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