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Der Epigrammatische Blick: Die italienische Wiederentdeckung der Anthologia Planudea und der Transformation der Kultur der Kunstbetrachtung in der Renaissance.

Antragstellerin Dr. Diletta Gamberini
Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung von 2019 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 435279030
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt beleuchtete in interdisziplinärer Perspektive den grundlegenden Wandel in der Wahrnehmung, des Bewertens und Schreibens über Kunst, wie er sich ab den 1470er Jahren in Italien vollzog. Auslöser war die Wiederentdeckung der mehr als sechshundert griechischen Epigramme ekphrastischer Natur, die in der sogenannten Anthologia Planudea enthalten sind und die der griechische Mönch Maximus Planudes um 1300 zusammengestellt hatte. Die wichtigsten Forschungsergebnisse des Projektes wurden in zwei Monografien und in einer Reihe von begutachteten Buchbeiträgen und Aufsätzen bekannt gemacht. Über das engere Thema der Anthologia Planudea hinaus haben diese Beiträge entscheidende, oft überraschende Einsichten in die künstlerische Kultur der italienischen Renaissance und in die Wort-Bild-Beziehung ermöglicht. Denn erstens hat das Projekt einen großen Korpus unveröffentlichter neulateinischer Epigramme zutage gefördert, die grob aus den Jahren 1490-1535 stammen und Gemälden oder Skulpturen einiger der zu damaliger Zeit am meisten geschätzten und gefeierten Künstler gewidmet sind. Diese Texte eröffnen neue Erkenntnisse zu den Werken von Schlüsselfiguren wie Michelangelo, Sebastiano del Piombo oder Marcantonio Raimondi, aber auch zum Bildhauer Gian Giorgio Lascaris, genannt "Pirgotele", zum künstlerische Mäzenatentum von Ferrante Gonzaga und Isabella d'Este, zu den mit Pietro Aretino und Giulia Gonzaga verbundenen Porträts, zum Ikonoklasmus religiöser Bilder und zur Plünderung profaner Meisterwerke während des "Sacco di Roma". Zweitens hat das Projekt gezeigt, wie der außerordentliche Reichtum der poetischen Ekphraseis der Anthologia Planudea in der Renaissance ein entscheidendes literarisches Wissensmedium und einen wichtigen Faktor für die Wertschätzung der ‚dionysischen‘ Seite der antiken - speziell der hellenistischen - Kunst darstellte: Die Gedichte interessiert sich insbesondere für die intensivsten menschlichen Leidenschaften (kriegerischer Trieb, Wut, erotisches Verlangen, Eifersucht, Leiden …), d.h. all jene Zustände (Schlaf, Trunkenheit, Wahnsinn …), in denen die rationale Kontrolle, die der Mensch normalerweise über sich selbst ausübt, vorübergehend außer Kraft gesetzt ist. Unter diesem Blickwinkel konnte gezeigt werden, wie sehr die Epigramme der Planudea für die Gelehrten, die Kunsttheoretiker und Künstler wie auch ganz allgemein für das gebildete Publikum der italienischen Renaissance als entscheidende Katalysatoren einer antiken ‚Kultur des Sehens‘ fungierten. Die Gedichte fungierten als eine Form der Pädagogik des Blicks, die darauf abzielte, ein bestimmtes Bewusstsein und visuelles und sprachliches Instrumentarium der Betrachtenden zu schaffen, um über die richtige Art und Weise zu verfügen, um ein bestimmtes figuratives (Meister-)Werk zu betrachten, es zu beurteilen und zu verbalisieren.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Fra Sebastiano del Piombo e Marcantonio Raimondi: epigrammi inediti di Antonio Tebaldeo sopra uno dei più antichi ritratti di Pietro Aretino (con un’appendice di testi sul ritratto di Giulia Gonzaga), in «Storia della critica d’arte», n.s. 5 (2022), S. 193–215
    Diletta Gamberini
  • “Unjustly Tormented by Love”: Eros as a Source of Artistic Inspiration in an Epigram for Gian Giorgio Lascaris, Alias Pyrgoteles. Source: Notes in the History of Art, 41(3), 176-185.
    Gamberini, Diletta
  • Di Cupidi dormienti e altre contraffazioni dall’antico: l’Antologia Planudea come catalizzatore di falsi artistici ed ecfrastici rinascimentali, in: Sara Ferrilli/Marco Nava/Jonathan Schiesaro (Hgg.), Fucata vetustas. Prassi e ricezione del falso nella letteratura e nell’arte del Rinascimento italiano, Rom, Franco Angeli, 2023, S. 67–93
    Diletta Gamberini
  • L’ arte al tempo della ruina: Antonio Tebaldeo e tre poetiche storie di immagini nella Roma del Sacco, Heidelberg, Heidelberg University Publishing, 2023. («Fontes. Textual and Visual Sources for the History of Art 1350‒1750», n. 95).
    Diletta Gamberini
 
 

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