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Evidenzregime lokaler und internationaler Pestizideinsätze. Die Auseinandersetzungen um Schädlingsbekämpfung im Globalen Süden in den 1960er bis 1980er Jahren
Antragsteller
Professor Helmuth Trischler, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Wissenschaftsgeschichte
Förderung
Förderung von 2020 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 282210851
Das Projekt untersucht die Auseinandersetzungen um Insektizideinsätze globaler Programme der Schädlingsbekämpfung in Entwicklungsländern zwischen 1960 und 1990. Der Fokus richtet sich dabei auf drei Insektizide (DDT, Aldrin und Temephos), die im Untersuchungszeitraum die Bereiche Krankheitsbekämpfung und Landwirtschaft prägten, einander teilweise ablösten und Einsatzgebiete in u.a. Ost- und Westafrika sowie Südamerika miteinander verbanden. Ziel ist es, anhand ausgewählter Fallbeispiele die Anwendungsbedingungen der Pestizide als Geschichte unterschiedlicher Evidenzregime fassbar zu machen, in denen Wissen über Umwelt, Landwirtschaft und Gesundheit sowie über die Möglichkeiten der Entwicklungspolitik erzeugt und modifiziert wurde. Dabei spielen sich Dynamiken der De- und Re-Stabilisierung von Evidenz vor dem historischen Hintergrund der Legitimationskrise westlicher Entwicklungspolitik und ihrer folgenden Transformation ab. Im Gegensatz zur existierenden Literatur wählt diese Studie eine stoffgeschichtliche Verflechtungsperspektive, mit der die Abschottungstendenzen und Wechselwirkungen zwischen Pestizideinsätzen einzelner Regionen des Globalen Südens untersucht werden. Durch die Fokussierung auf Insektizide verschränken sich die historisch-politischen Kontexte dekolonisierender Regionen in Afrika mit südamerikanischen Entwicklungsgeschichten, der Genese der Umweltbewegung sowie der Geschichte internationaler Entwicklungsorganisationen. Mithilfe des theoretischen Instrumentariums der Evidenzpraktiken zeichnet die Studie Aushandlungsprozesse um wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Nutzen, Kosten und die Bewertung von Risiken, insbesondere langfristiger Umweltfolgen, in verschiedenen Kontexten nach. Leitend ist dabei erstens die Frage, ob sich die Transformation der Pestizideinsätze als Ergebnis von Kontroversen um die globale und lokale Gültigkeit von Wissen beschreiben lässt und zweitens inwiefern insbesondere die Übertragbarkeit von Praktiken der Schädlingsbekämpfung zwischen verschiedenen Regionen des Globalen Südens diesen Technologien auf internationaler Ebene Evidenz verlieh. Im Sinne der Pestizide als „public technology“ ist ein drittes Ziel der Studie, die Rolle verschiedener Öffentlichkeiten in der Pestizidregulierung genauer zu beschreiben und die Ko-Produktion von Evidenzpraktiken zu untersuchen. Vorarbeiten zeigen, dass die Umbrüche der 1970er Jahre sich in einer Diversifizierung von Aushandlungsräumen niederschlugen, in denen jeweils eigene Kompromisse verhandelt wurden. Diese Fragmentierung bei gleichzeitiger gegenseitiger Beeinflussung, so unsere Hypothese, führte zu einer zunehmenden Reflexivität von Evidenzpraktiken, die stets im Wissen um andere und neu hinzukommende Wissensbestände erzeugt wurden. Als prägende Phänomene der Entwicklungspolitik werfen diese Prozesse der De- und Re-Stabilisierung von Evidenz neues Licht auf globalgeschichtliche Zeitdiagnosen zu Dekolonisation, Entwicklung und Internationalismus.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen