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Suburbanisierung von Armut: Neue räumliche (De)Konzentrationen von niedrig-verdienenden und armen Haushalten in deutschen Stadtregionen

Fachliche Zuordnung Humangeographie
Förderung Förderung von 2020 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 451071476
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das explorative Forschungsprojekt untersuchte die Fragestellung, ob die überproportional hohe Nachfrage der letzten Jahre nach Wohnraum in deutschen Innenstädten und die damit verbundenen Preissteigerungen auf dem Immobilienmarkt zu einer Verdrängung einkommensarmer Haushalte führen und neue Armutskonzentrationen im stadtregionalen Kontext nachweisbar sind. Mit den für das Projekt entwickelten Methoden der Raumanalyse wird aufgezeigt, dass die Voraussetzungen zur Beforschung des Themas in Deutschland zwar herausfordernd sind, aber dennoch innovative Optionen existieren. So konnte insbesondere mit der geostatistischen Coldspot-Analyse der Kaufkraft aufgezeigt werden, wo Konzentrationen einkommensarmer Haushalte in den 33 größten deutschen Stadtregionen auf benachteiligte Lagen hinweisen. Die Umsetzung als interaktive Webkarten und die Erarbeitung von Indikatoren und einer sogenannten Mikroanalyse für Umlandkommunen mit prägnanten Coldspots stellte ein wesentliches Ergebnis für die nachfolgenden Projektbausteine dar. Basierend auf der Coldspot-Analyse wurden in drei ausgewählten Stadtregionen (Aachen, Karlsruhe, Leipzig) die Ursachen und Dynamiken der Konzentrationen einkommensarmer Haushalte mit lokalen Expert*innen diskutiert, zunächst in den Kernstädten und anschließend in Mittelstädten im Umland. Es zeigen sich in den Kernstädten stadtspezifische räumliche Muster in Abhängigkeit von Bestand und Lagen preisgünstiger Wohnungsbestände, Stadtentwicklung und lokaler Wohnungsmarktpolitik. In der vergleichenden Analyse wird der Stellenwert sozialstaatlicher Regulierungen (Schutz der Transferleistungsbeziehenden, Versorgung von Geringverdienenden mit Wohngeld) deutlich, die eine generelle oder großflächige Verdrängung von einkommensarmen Haushalten ins Umland bislang in deutschen Stadtregionen verhindern. Allerdings zeigt sich eine zunehmende Konzentration einkommensarmer Haushalte in den wenigen noch verbleibenden „Inseln des Bezahlbaren“ (kostengünstiger Wohnraum mit oder ohne Belegungsbindung, zum Teil in stigmatisierten Lagen) und die Schwierigkeiten der Kommunen, für eine steigende Nachfrage nach preisgünstigem Wohnraum ein entsprechendes Angebot bereitzustellen, werden deutlich. Ähnlich wie in den Großstädten sehen die lokalen Expert*innen in den ausgewählten Mittelstädten als wesentliche Ursache für die Konzentrationsmuster einkommensarmer Haushalte in ihrer Kommune, dass die Haushalte auch hier in den wenigen „Inseln des Bezahlbaren“ verbleiben. Zudem wird auch in den Mittelstädten kein Zuzug einkommensarmer Haushalte aus der Großstadt vermutet. Vielmehr wird angenommen, dass einkommensarme Haushalte aus kleineren Kommunen im Umland angezogen werden wegen eines größeren Angebots an sozialen Dienstleistungen und eines größeren Bestands an bezahlbarem Wohnraum. Im Gegensatz zu den Großstädten wird in den Mittelstädten derzeit kein weiterer sozialer Wohnungsbau geplant. Vielmehr fokussieren die Mittelstädte auf Zuziehende mit hoher Kaufkraft und realisieren gegenwärtig Neubauten in einem mittleren bis höheren Preissegment. Fast alle Expert*innen in den Groß- und Mittelstädten haben in den Interviews unter einkommensarmen Haushalten solche mit Sozialhilfebezug verstanden. Haushalte mit geringen Erwerbs- oder Renteneinkünften, die keine Sozialleistungen beziehen, stehen demnach bislang nicht im Fokus der Kommunen. Aus diesem Grund ließ sich resümieren, dass Erwerbsarmut eine Art „blinder Fleck“ der kommunalen Sozialplanung zu sein scheint.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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