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Alterität und Störung in Psychiatrie und Literatur seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts

Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 419057548
 
Die beantragte FOR normal#verrückt untersucht die Erosion einer Semantik des Wahnsinns, die seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts mit einer Normalisierung, aber auch einer verstärkten Psychiatrisierung von psychischen Störungen einherging. Diese Dynamik erfasste auch die Literatur, die ein ausgezeichneter Ort der Auseinandersetzung mit psychischer Alterität und Störung war und ist. Das geplante TP „Alterität und Störung in Psychiatrie und Literatur seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts“ untersucht Austauschbeziehungen, geteilte Problemstellungen, Missverständnisse und Verwerfungen im Verhältnis von Psychiatrie und Literatur aus epistemologischer, literaturwissenschaftlicher und psychiatrie-historischer Perspektive: Ausgehend von zeitgenössischer Kritik an psychopathologischen Konzepten und Klassifikationssystemen und der nachfolgenden Durchsetzung des Konzepts der Störung im psychiatrischen Aufschreibesystem untersucht das Projekt, wie dieser epistemische Wandel sowohl mit einer Selbstreflexion in der Psychiatrie als auch mit neuen Darstellungsoptionen von psychischer Alterität und Störung in der Literatur kommuniziert. Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist die Literatur nicht mehr der bevorzugte Ort eines Gegendiskurses zur Psychiatrie, sondern entwickelt neue Darstellungsweisen für die Alterität von Menschen mit Psychiatrieerfahrung sowie neue Spielarten der Kritik, die nicht in der Antipsychiatrie aufgehen. In diese Zeit eines epistemischen Wandels der Psychiatrie, wie er sich an der Einführung internationaler, standardisierter diagnostischer Manuale ablesen lässt, fielen auch eine Rezeption ethnopsychiatrischer Konzepte psychischer Störung und erste Auseinandersetzungen mit der internationalen Ethnographie psychischer Alterität. Das TP untersucht gemeinsam und vergleichend literarische Texte sowie die Rezeption der Ethnopsychiatrie als zwei Orten, an denen Erfahrungen mit psychischer Alterität und Störung artikuliert und reflektiert werden und an denen in dieser Phase eine Pluralisierung der Artikulationen manifest wird. Mit dieser doppelten Perspektive auf Literatur und Psychiatrie untersucht das TP eine Unruhezone, deren kennzeichnendes Merkmal darin besteht, dass Krankheitsentitäten brüchig und zweifelhaft geworden sind. Das TP verbindet kultur- und literaturwissenschaftliche Analysen eines gemeinsamen Korpus von Texten und Quellen mit einer historischen Epistemologie der Konturierung und Stabilisierung von Wissensbeständen nach der Kappung ihrer Verbindung mit Krankheitseinheiten.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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