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FOR 3031:  NORMAL#VERRÜCKT Zeitgeschichte einer erodierenden Differenz

Fachliche Zuordnung Geisteswissenschaften
Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 419057548
 
Die Geschichte der Psychiatrie ist eine Geschichte der Differenz von „normal“ und „verrückt“. Diese Differenz wird jedoch zunehmend brüchig. Einerseits gewinnt das Verrückte mit der Öffnung der psychiatrischen Anstalten und Integration der Insass*innen in die Gesellschaft eine alltägliche Normalität; andererseits werden Verhaltens- und Reaktionsweisen wie Rausch, Stress oder Aufmerksamkeitsdefizit pathologisiert und Gegenstand psychiatrischer Interventionen. Damit verlieren bislang bewährte Narrative der Psychiatriegeschichtsschrei-bung ihre Deutungskraft, die sich gerade jener Dichotomie verdankt, die gegenwärtig in Frage steht. Hier setzt die Forschungsgruppe an. Sie versucht nicht, eine Veränderung der Konzepte von Verrücktheit nachzuzeichnen, sondern stellt die Erosion der Differenz von nor-mal und verrückt im Umgang mit psychischer Alterität ins Zentrum. Das gemeinsame Ziel der an der FOR beteiligten Projekte ist es, psychiatriegeschichtlich bislang nicht hinreichend analysierte Tendenzen als Ressource für die Zeitgeschichte zu mobilisieren.Umgesetzt wird dieses Ziel durch eine Dezentrierung des psychiatriehistorischen Gegenstandsfeldes, mit der jene Phänomenbereiche in den Blick genommen werden, die e-her „quer“ zu etablierten Themen liegen: 1. Akteurskonstellationen, die neben Psychiater*in-nen und Patient*innen auch andere Betroffenen- und Berufsgruppen umfassen; 2. Logiken und Räume, die neben den politischen Logiken der klassischen Institutionen und ihren her-kömmlichen Alternativen auch ökonomische und partizipative Rationalitäten einschließen und somit andere Lebenswelten und künstlerische Interventionen erschließen; 3. Methodi-sche Zugriffe auf Praktiken und Techniken der Interaktion und Aushandlung im psychiatri-schen Feld, die auch Medieneinsatz, Kommunikationsstrategien und Aneignungsweisen ein-beziehen. Durch diese Dezentrierung der Psychiatriegeschichte will die FOR entlang auffälli-ger Auflösungstendenzen Elemente einer Geschichte der Transformation im Umgang mit psychischer Alterität zusammentragen, die Alternativen zur vorliegenden Fachgeschichts-schreibung aufzeigen. So will sie eine psychiatrische Zeitgeschichte nach Vorbild einer anth-ropology of the present entwerfen, die auch bisherige Deutungsschemata von normal#ver-rückten Welten einer historischen Analyse zugänglich machen will.Die Forschungsgruppe ist interdisziplinär zusammengesetzt, um die Arbeit an den Phänomenen mit ethnologisch/ethnographischen, historisch/historiographischen, wissen-schaftshistorisch/wissenschaftssoziologischen sowie medientheoretischen, kultur- und litera-turwissenschaftlichen Ansätzen methodisch breit abzusichern. Aufgrund ihres Gegenstands-bereichs hat sie einen medizinhistorischen Schwerpunkt und will die Bezugsdisziplinen Psy-chiatrie, Psychologie und Soziale Arbeit in die Forschung einbeziehen.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
Internationaler Bezug Belgien, Kanada, Luxemburg, Österreich

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