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Gefährlich krank. Der Maßregelvollzug in der BRD (1960–2000) im Feld gegenläufiger Strömungen

Antragstellerinnen / Antragsteller Professor Dr. Heiner Fangerau; Dr. Chantal Marazia
Fachliche Zuordnung Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 419057548
 
Die Öffnung der psychiatrischen Anstalten im Zuge der Psychiatrie-Enquete gilt als handfestes Zeichen der Normalisierung des Wahnsinns im ausgehenden 20. Jahrhundert. Seit den 1970er Jahren leeren sich in der Tat die Anstalten. Der Maßregelvollzug hingegen wächst. Diese Gegenläufigkeit wird zunehmend als Re- bzw. Transinstitutionalisierung und/oder als Chiffre der modernen Risikogesellschaft diskutiert. Ausgehend von dieser Debatte untersucht das beantragte Projekt die Entwicklung des westdeutschen Maßregelvollzugs von einer Institution der "Sicherung und Besserung" hin zu einer Institution der "Besserung und Sicherung" und die damit verbundene Figur der*des gefährlichen Kranken in deren Verschränkungen mit der Psychiatriereform. Im Sinne einer "Anthropologie der Gegenwart" geht es dabei darum, Diskurse, Praktiken und Strukturen der Vergangenheit, die bis in die Gegenwart hineinwirken, als Geflecht komplexer Interaktionen, d. h. als Dispositiv, zu rekonstruieren und die ihnen innewohnenden Ambivalenzen offen zu legen.Das Teilprojekt verfolgt erstens die Figur des*der "gefährlich(en) Kranken" in ihrer fachdiskursiven Entwicklung. Zweitens wird der gefährliche Wahnsinn in seiner gesellschafts-politischen Berücksichtigung und Tragweite untersucht. Drittens soll der Alltag rekonstruiert werden, der vor dem Hintergrund der Etablierung und (Re)-Formulierung eines reformierten Maßregelvollzugs die Wirklichkeit der De/Institutionalisierung bestimmte. Das Projekt fokussiert dabei auf die Wechselbeziehungen zwischen den diskursiv erzeugten und vermittelten Wissensordnungen des "gefährlichen Wahnsinns" und ihren konkreten handlungspraktischen Wirksamkeiten im Maßregelvollzug in Diagnostik, Behandlung und Prognostik: Anhand der überlieferten Patientenakten und Dokumentationen des Stationsalltages aus der forensisch-psychiatrischen Klinik in Moringen, dem heutigen Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen/Moringen, wird exemplarisch untersucht, wie der wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Gefährlichkeitsdiskurs den Alltag und die Routinen in der Forensik geprägt haben.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
Mitverantwortlich(e) Dr. Anna-Karina Schomburg
 
 

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