Die repräsentationale Struktur der episodischen Simulation: Verhalten, Neuro-Kognition, und Entwicklung.
Biologische Psychologie und Kognitive Neurowissenschaften
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Eine der erstaunlichsten Fähigkeiten des menschlichen Geistes ist es, den gegenwärtigen Moment verlassen zu können. Wir können geistig an Orte und Zeiten “reisen”, die wir nie besucht und nie erlebt haben. Wie bewerkstelligt das menschliche kognitive System das? Forschung aus der kognitiven Psychologie, der Neuropsychologie, und der kognitiven Neurowissenschaft belegt zunehmend, dass all den verschiedenen Arten, auf die wir geistig die Gegenwart verlassen können, ein einziger kognitiver Mechanismus zu Grunde liegt: Episodische Simulation. Wenn aber all den verschiedenen Arten, auf denen wir geistig die Gegenwart verlassen können, ein einziger neuro-kognitiver Mechanismus zu Grunde liegt, was begründet dann die vielartigen Unterschiede zwischen unseren Ereignissimulationen? Wenn das, was wir erinnern und das, was wir uns vorstellen, Produkte eines einzigen kognitiven Systems sind, was unterscheidet dann verschiedene Arten von „geistigen Reisen“ voneinander? Das Ziel dieses Projektes war es, dieser Frage nachzugehen. Dabei standen zwei besonders saliente Aspekte geistiger Ereignissimulationen im Mittelpunkt: einerseits die zeitliche Ausrichtung in die Vergangenheit oder Zukunft, und andererseits der Erinnerungs- oder Vorstellungscharakter (die ‚Mnemizität‘) solcher Simulationen. In mehreren experimentellen und theoretischen Arbeiten fragten wir (1) ob zeitliche Ausrichtung unabhängig vom Inhalt eines Ereignisses repräsentiert wird, (2) ob zeitliche Ausrichtung und Mnemizität auf trennbaren Repräsentationen beruhen, (3) was geistige Urteile über Mnemizität von Urteilen über Realität des Ereignisses unterscheidet, und (4) was die evolutionären und entwicklungstechnischen Ursprünge von Mnemizität sein könnten. Bezüglich (1), zeigte sich in Mahr, Greene, und Schacter (2021), dass Teilnehmende dazu tendierten die zeitliche Ausrichtung eines Ereignisses, das sie sich vorher vorgestellt hatten, unabhängig von dessen Inhalts zu erinnern. Bezüglich (2), konnten wir in Mahr und Schacter (2022) zeigen, dass Unterschiede in zeitlicher Ausrichtung und Mnemizität zu unterschiedlichen Fehlermustern im Erinnern von Ereignissen führen. Dies weist darauf hin, dass diese Ereignisaspekte getrennt voneinander in der Ereignissimulation repräsentiert werden. Schließlich, bezüglich (3) und (4), aufbauend auf diese Ergebnisse und unter Einbezug von Literatur aus der Entwicklungs- und Interkulturellen Psychologie argumentierten wir in Mahr (2023) und Mahr et al. (2023), dass Mnemizität von Realitätsurteilen unterschieden werden muss. Unserer Ansicht nach ist Mnemizität wahrscheinlich eine spezifisch menschliche Kapazität, die sich als Resultat von sozialen und kulturellen Lernprozessen entwickelt. Die Ergebnisse dieser Arbeiten leisten daher einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung von Fragen zur Beziehung zwischen Erinnerung und Vorstellung sowie deren Ursprüngen in der menschlichen Kognition, Entwicklung, und Evolution.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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A long time ago in a galaxy far, far away: How temporal are episodic contents?. Consciousness and Cognition, 96, 103224.
Mahr, Johannes B.; Greene, Joshua D. & Schacter, Daniel L.
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Mnemicity versus temporality: Distinguishing between components of episodic representations.. Journal of Experimental Psychology: General, 151(10), 2448-2465.
Mahr, Johannes B. & Schacter, Daniel L.
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A language of episodic thought? (commentary on Quilty-Dunn et al.). Center for Open Science.
Mahr, Johannes & Schacter, Daniel L.
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How to Become a Memory: The Individual and Collective Aspects of Mnemicity. Topics in Cognitive Science, 16(2), 225-240.
Mahr, Johannes B.
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Mnemicity: A Cognitive Gadget?. Perspectives on Psychological Science, 18(5), 1160-1177.
Mahr, Johannes B.; van Bergen, Penny; Sutton, John; Schacter, Daniel L. & Heyes, Cecilia
