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Asylregime und transnationale Familien von Geflüchteten in Deutschland und Frankreich. Familienzusammenführung als behördliche Praxis und alltagsweltliche Erfahrung
Antragstellerin
Professorin Dr. Karin Schittenhelm
Fachliche Zuordnung
Empirische Sozialforschung
Förderung
Förderung seit 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 441512655
Trotz internationaler Abkommen und gemeinsamer Richtlinien der Europäischen Union (EU) ist die Familienzusammenführung für Geflüchtete und ihre Angehörigen in den Mitgliedsstaaten uneinheitlich geregelt. In Deutschland besteht das Recht auf Familienzusammenführung nur für diejenigen, die einen Flüchtlingsstatus im Sinne der UN-Konvention (oder Asyl nach Artikel 16a des GG) erhalten und nicht bzw. nur eingeschränkt im Falle einer subsidiären Schutzgewährung. Dagegen wird in Frankreich das Recht auf eine Familienzusammenführung unabhängig vom Schutzstatus allen erteilt, deren Asylantrag anerkannt wurde. Vor diesem Hintergrund befasst sich das Forschungsprojekt mit der Frage, wie in Deutschland und Frankreich politische, rechtliche und institutionelle Regelungen für eine (Wieder-)Herstellung, Aufrechterhaltung oder Veränderung der Familienbeziehungen von Geflüchteten eine Rolle spielen. Daran schließt sich die Frage an, wie zwischen Geflüchteten und zuständigen Behörden potenziell divergierende Auffassungen über die Familie als Institution hingenommen, ausgehandelt, erstritten oder per behördlichem Bescheid durchgesetzt werden. Das Forschungsprojekt analysiert auf diese Weise politisch-rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen sowie deren Implementierung in den jeweiligen Ländern explizit in Verbindung mit Erfahrungen und Praktiken von Geflüchteten und ihren Familien. Es beinhaltet eine qualitative Untersuchung mit drei Arbeitsschritten: (1) Dokumentenanalysen, (2) narrative Interviews mit Männern und Frauen, die mit einem Schutzstatus in Deutschland oder Frankreich leben sowie über Erfahrungen mit der Beantragung und Initiierung einer Familienzusammenführung verfügen, (3) Fallstudien zu Prozessverläufen einer Familienzusammenführung, die auf Basis einer Methodenkombination durchgeführt werden. Die Analyse institutioneller Praktiken findet insofern im länderübergreifenden Vergleich der Asylregime statt, während die Erfahrungen und Praktiken der Geflüchteten sowie ihrer Strategien zur Aufrechterhaltung und Wiederherstellung von Familienbeziehungen durch fallvergleichende Analysen untersucht werden. Von Interesse ist, wie (a) rechtliche Vorgaben und lokal vorherrschende Familienkonzepte die behördliche Praxis der Schutzgewährung sowie der Familienzusammenführung beeinflussen und (b) wie seitens der Geflüchteten bisher praktizierte Familienkonzepte und Loyalitäten unter veränderten Bedingungen aufrechterhalten, wiederhergestellt oder transformiert werden. Ziel ist eine empirisch fundierte Theoriebildung zur behördlichen Praxis und institutionellen Einflussnahme auf die Familienzusammenführung von Geflüchteten einerseits sowie zur innerfamiliären Selbstorganisation im Sinne einer Aufrechterhaltung und Wiederherstellung von Familienbeziehungen in der Fluchtmigration sowie den damit einhergehenden Erfahrungen andererseits.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen