Implizite Diagnosekriterien reduzieren - Expertise angehender Lehrkräfte fördern (IDEaL)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das diagnostische Urteil bildet die Basis für Leistungseinschätzungen von Schülerinnen und Schülern (SuS) und ist somit mitentscheidend für die schulische Entwicklung von SuS sowie deren Bildungskarrieren. Insofern kommt dem diagnostischen Urteil eine wichtige Funktion zu, die bei der Professionalisierung von Lehrkräften besonders beachtet werden muss. Um Produkte von SuS wie Lösungen von mathematischen Aufgaben zu bewerten, müssen Lehrkräfte dazu befähigt werden, bei den dafür erforderlichen diagnostischen Urteilen explizite, an normativen Standards oder Lernzielen orientierte, Kriterien anzuwenden. Empirische Befunde zeigen, dass beim diagnostischen Urteilen implizite Kriterien wirksam werden können und insofern mit ggf. vorhandenen expliziten Kriterien in Konkurrenz treten. Demnach können Leistungserwartungen und -beurteilungen von Lehrkräften durch Stereotype zu SuS mit Migrationshintergrund, zum Geschlecht von SuS sowie zur sozialen Herkunft beeinträchtigt werden, wodurch ungerechte Chancen im Bildungssystem verstärkt werden. Um Disparitäten zwischen SuS mit und ohne Migrationshintergrund sowie unterschiedlichen Geschlechts und unterschiedlicher sozialer Herkunft entgegenzuwirken, war es das Ziel des Projektes, die diagnostische Urteilsfähigkeit angehender Lehrkräfte zu stärken und den Einfluss impliziter Kriterien beim diagnostischen Urteilen bereits während des Lehramtsstudiums zu reduzieren. Es wurde geprüft, ob a) Wissen über explizite fachbezogene Diagnosekriterien und deren Anwendung sowie b) Wissen über implizite, durch Stereotype bedingte, Kriterien, deren Einfluss auf das diagnostische Urteil die Beurteilung von SuS-Lösungen zu Mathematikaufgaben beeinflussen kann. Es wurden zwei digitale Interventionen konzipiert und durchgeführt, die sich (a) expliziten fachbezogenen Diagnosekriterien und deren praktischer Anwendung und (b) impliziten, durch Stereotype bedingte Kriterien und deren Einfluss auf das diagnostische Urteil widmeten. Um die Effekte der Interventionen zu prüfen wurden SuS-Lösungen von Stochastik-Aufgaben kombiniert mit, unterschiedliche Merkmale implizierende, Vornamen durch angehende Lehrkräften anhand von geschlossenen Items beurteilt. Regressionsanalysen zeigten, entgegen der Annahmen, keine Urteilsverzerrungen aufgrund sozioökonomischer Herkunft oder Migrationshintergrund der SuS vor der Intervention. Die Interventionen hatten zudem laut Varianzanalysen keine Effekte auf das diagnostische Urteil. Validitätsprüfungen lieferten Argumente für eine gute Eignung des Instruments, hinsichtlich der Erfassung der Dimensionen diagnostischer Urteile, die Messung der Varianz an Ausprägungen scheint jedoch durch das Instrument nicht gewährleistet zu sein. Möglich ist zudem, dass die Teilnehmenden vor der Intervention bereits für Herkunftseffekte sensibilisiert waren. Inwieweit die Interventionen zur Reduktion von Urteilsverzerrungen beitragen können, wird in Anschlussstudien geprüft.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Dimensions of pre-service teachers‘ diagnostic judgments of student solutions. 45th Conference of the International Group for the Psychology of Mathematics Education (PME) vom 18.-23.07.2022 in Alicante
Laschke, C.; Jenßen, L. & Rösken-Winter, B.
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Dimensions of pre-service teachers‘ diagnostic judgments of student solutions. Proceedings of the 45th Conference of the International Group for the Psychology of Mathematics Education. Vol. 3, p. 115-122.
Laschke, C.; Jenßen, L. & Rösken Winter, B.
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Interventionen zur Stärkung diagnostischer Urteile angehender Lehrkräfte. Tagung der Gesellschaft für Mathematikdidaktik, Frankfurt.
Laschke, C.
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Interventionskonzepte mit mathematikdidaktischem und psychologischem Schwerpunkt zur Stärkung diagnostischer Urteile von (angehenden) Lehrkräften. IPN-Sommertagung, Kiel.
Laschke, C.
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Die dimensionale Struktur diagnostischer Urteilskriterien. In L. Jenßen, D. Töpper & N. Uhlendorf (Hrsg.) Berlin-Brandenburger Beiträge zur Bildungsforschung, Berlin Universities Publishing.
Laschke, C.; Rösken-Winter, B. & Jenßen, L.
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Interventionen zur Stärkung diagnostischer Urteile angehender Lehrkräfte. In: IDMI-Primar Goethe-Universität Frankfurt (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2022. 56. Jahrestagung der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik. WTM.
Laschke, C.
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Profile diagnostischer Urteile von Lehramtsstudierenden und die Rolle des Migrationshintergrunds der Schüler*innen im Fach Mathematik – Ergebnisse einer Interventionsstudie. GEBF Jahrestagung vom 28.02.-02.03. 2023 in Essen
Laschke, C.; Rösken-Winter, B. & Jenßen, L.
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When judgements are biased by students' immigrant background, intervention can counteract? European Association for Research on Learning and Instruction (EARLI)
Laschke, C. & Rösken-Winter, Jenßen, L.
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Heterogenous student characteristics as a challenge in professional noticing of teachers in diagnostic judgment situations. Teacher Professional Vision: Empirical Perspectives, 83-98. Routledge.
Laschke, Christin & Steegh, Anneke
