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Rang und Ordnung. Ausbildung und Visualisierung politischer und sozialer Ordnung im spätmittelalterlichen Fürstentum im europäischen Vergleich

Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung von 2007 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 46649955
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt ‚Rang und Ordnung’ versuchte in der deutschen Mittelalterforschung strukturell wie inhaltlich neu Wege zu gehen. Schon jetzt, nach gut der Hälfte der anvisierten Projektdauer, lässt sich festhalten, dass sich das wissenschaftsorganisatorische Experiment als erfolgreich erwiesen hat. Die Zusammenarbeit von Historikern und Kunsthistorikern am gleichen historischen Phänomen hat zu jeweiligen Erkenntnisgewinnen geführt, die im Rahmen der eigenen Disziplin nicht möglich gewesen wären. Sehr dazu beigetragen hat das Prinzip der Gruppe, in der eine flache Hierarchie das eigenverantwortliche, teamorientierte Arbeiten erforderte und gleichzeitig ermöglichte. Dieses Modell ist in der Mediävistik noch neu. Es bleibt aber zu hoffen, dass der durch die Förderung der DFG möglich gemachte Impuls eine langfristige Wirkung im Fach entfalten wird. Das Projekt hat zu vielschichtigen (Zwischen)ergebnissen geführt. Es hat deutlich gemacht, dass man im 13. und 14. kaum von einem europäischen Fürstentum sprechen kann. Die Kommunikationsräume, in denen die jeweilige soziale Identität, der Rang, ausgehandelt wurde, waren kleiner als Europa. Sie waren zwar nicht notwendigerweise identisch mit den einzelnen Reichen, insbesondere das Hl. Römische Reich war zu weitläufig, als dass es einen kohärenten Kommunikationsraum hätte bilden können, aber diese Reiche bildeten zumindest einen maßgeblichen Referenzrahmen. Anders formuliert: In der Ausrichtung ihrer Verortung orientierten sich die Earls an den Earls und die Reichsfürsten an den Reichsfürsten, nicht aber die Earls an den Reichsfürsten oder umgekehrt. Vor diesem Hintergrund konnte es den Kurfürsten auch relativ gleichgültig sein, dass sie auf europäischer Ebene keineswegs als königgleich betrachtet wurden. Wichtig war, dass ihre überfürstliche Position im Reich zur Geltung kam. Im Reich scheinen insgesamt die Unterschiede zwischen den einzelnen adligen Rängen markierter gewesen zu sein als in England. Darauf deutet zumindest das Konnubium hin, das in England eine größere soziale Bandbreite aufzuzeigen scheint als im Reich. Die Studie der Wappenrollen zeigt dabei eindrücklich, dass bezüglich der Hierarchie innerhalb eines Adelsrangs erhebliche Spielräume bestanden. Hier waren, ganz ähnlich wie im Verhältnis von König zu Fürsten allgemein, Aushandlungsprozesse kontinuierlich am Werk. Im Reich versuchte die Goldene Bulle von 1355/56 diesen Aushandlungsprozessen zumindest unter den Kurfürsten die Dynamik zu entziehen. Hier wurde die Rangfolge anhand der Fürstentümer festgelegt. Für die Earls hingegen scheint ihr Earldom neben der Nähe zum König nur ein Kriterium gewesen zu sein, das über ihren Platz in der Hierarchie entschied – aber hier sind die Ergebnisse noch sehr vorläufig. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den neu geschaffenen Herzögen und den sich allmählich etablierenden Kurfürsten bestand nicht nur in ihrer Genese, sondern auch in ihrer politischen Rolle. Während die Kurfürsten eine im Unterschied zu den Reichsfürsten größere Verantwortung für das Reich reklamierten, scheint dies für die englischen Herzöge im Vergleich zu den Earls nicht der Fall gewesen zu sein. Dennoch gilt bei all diesen Unterschieden zwischen England und dem Reich, dass die politische Grundordnung bezüglich des Verhältnisses von König und Fürsten nicht grundsätzlich verschieden war. In beiden Reichen spielte die Idee des Konsenses der Großen (in beiden Reichen im übrigen ein Kreis, der über die Kurfürsten bzw. Earls hinausging) bei der Entscheidungsfindung eine zentrale Rolle. Eine Kontrastierung von konsensualer Ordnung (Reich) und autoritativer Ordnung (England) erscheint deshalb nicht zulässig. Man wird vielmehr von graduell unterschiedlich ausgeprägten konsensualen Ordnungen sprechen müssen.

 
 

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