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Untersuchung des Lithosphären-Astenosphären-Systems in Mitteleuropa mittels Wellenformtomographie

Fachliche Zuordnung Physik des Erdkörpers
Förderung Förderung von 2007 bis 2012
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 47571930
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Aus dem Projekt ist ein neues Modell der Scherwellengeschwindigkeit des oberen Mantels unter Europa und angrenzenden Regionen hervorgegangen. Das Modell beruht auf einem Datensatz von rund 700000 Seismogrammen, die an ca. 1000 Breitbandstationen aufgezeichnet wurden. Das ist sicher die umfangreichste Datenbasis, die bis 2012 jemals für ein europäisches Mantelmodell eingesetzt wurde. Das Modell gibt ein detailliertes Bild der Struktur des Lithospharen-Asthenosphärensystems in Europa und zeigt, wie die komplexen tektonischen Prozesse, die Europa seit dem Archaikum ständig umformen, auf den oberen Erdmantel einwirken. Das Modell birgt diverse neue Erkenntnisse zur Mantelstruktur Europas: Im osteuropäischen Kraton liegen die stärksten positiven Geschwindigkeitsanomalien in ca. 150 km Tiefe, darunter nehmen sie signifikant ab und unterhalb von 260 km Tiefe finden sich keine Anomalien mehr, die mit der Form des Kratons an der Oberfiache korrelieren. Der osteuropäische Kraton ist in west-östlicher Richtung von einer Region weniger erhöhter Geschwindigkeiten durchzogen, innerhalb derer sich auch die Fundstellen von diamantführenden Kimberliten befinden. Dieser Befund deutet auf eine substantielle Metasomatose oder Erwärmung des kratonischen Mantels im Zuge vulkanischer Aktivität nach dessen Bildung hin. Ferner zeigen erniedrigte Geschwindigkeiten am westlichen Rand des osteuropäischen Kratons unter Skandinavien eine Erosion der kratonischen Mantellithosphäre durch die atlantische Asthenosphäre an. Entlang der Tornquist-Tesseire-Zone verlaufen die stärksten Geschwindigkeitskontraste, die man in Europa finden kann. Ursache dafür ist die sehr unterschiedliche Mächtigkeit der Lithosphare der osteuropäischen Plattform im Vergleich zur Lithosphäre des angrenzenden phanerozoischen Europas. Dadurch grenzt osteuropäische Lithosphäre direkt an die zentraleuropäische Asthenosphäre. Die kaledonischen und variszischen Suturen Zentraleuropas haben keine Entsprechung in Form lateraler Geschwindigkeitsgradienten im Mantel. Deshalb ist die Mantellithosphäre unter Zentraleuropa wahrscheinlich erst in postvariszischer Zeit entstanden. Der Mantel Zentral- und Südeuropas ist durchzogen von Regionen erniedrigter S-Wellengeschwindigkeit, die auf eine dünne Lithosphäre und hochliegende Asthenosphäre hindeuten. Der Intraplattenvulkanismus in Europa befindet sich ausschließlich innerhalb oder am Rande solcher Anomalien, also in Bereichen hochliegender Asthenosphäre oder dort, wo die Lithosphären-Asthenosphären-Grenze ansteigt. Einige Regionen erniedrigter Geschwindigkeit erstrecken sich bis in die Übergangszone, z.B. unter dem Massif Central, Sinai und dem Toten Meer, den Kanaren und Island. Hochgeschwindigkeitsanomalien in der Übergangszone finden sich unter dem Mittelmeer, dem Pannonischen Becken und Polen. Diese deuten auf die Existenz alter Slabsegmente in der Übergangszone hin. Durch eine Transformation der Geschwindigkeitsanomalien in Temperaturanomalien gelang es, eine 3D-Temperaturverteilung im Erdmantel unter Europa abzuleiten. Basis dieser Transformation ist die Annahme, dass Temperaturänderungen sich über den anharmonischen und anelastischen Effekt auf die seismischen Geschwindigkeiten auswirken. Der anelastische Effekt bewirkt einen nichtlinearen und asymmetrischen Zusammenhang zwischen Temperatur- und Geschwindigkeitsanomalien. Unter der Annahme, dass die Mächtigkeit der Lithosphäre durch eine Isotherme definiert ist, wurde aus dem 3D-Temperaturmodell eine Karte der Lithospharenmächtigkeit erstellt. Überraschenderweise ergaben sich aus der Inversion der Wellenformen aufgrund der Hinzunahme teleseismischer Ereignisse und seismischen Statione außerhalb Europas auch neue Erkenntnisse zur Mantelstruktur Afrikas. Hier konnten Details der bekannten Hochgeschwindigkeitsregionen in Afrika aufgelöst und zum ersten Mal ein klares Bild der Niedriggeschwindigkeitszonen und deren Verbindungen im oberen Mantel gewonnen werden. Es zeigt sich, dass Hotspotaktivitat in Afrika wahrscheinlich durch den Afar-Hotspot gesteuert wurde, wobei präexistente Riftstrukturen als Verbindungskanäle reaktiviert wurden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2009. Large-scale Shear Velocity Structure of the Upper Mantle beneath Europe and Surrounding Regions, 6th TOPO-EUROPE Workshop, Oslo, Norway
    Legendre, C., Meier, T., Lebedev, S., Friederich, W.
  • 2009. Large-scale Shear Velocity Structure of the Upper Mantle beneath Europe and Surrounding Regions, AGU Fall Meeting, San Francisco, California
    Legendre, C., Meier, T., Lebedev, S., Friederich, W.
  • 2010. Large-scale Shear Velocity Structure of the Upper Mantle beneath Europe and Surrounding Regions, EGU Vienna, EGU2010-10030
    Legendre, C., Meier, T., Lebedev, S., Friederich, W.
  • 2011. Shear-wave velocity model of the European Upper Mantle, EGU Vienna, EGU2011-14961
    Legendre, C., Meier, T., Lebedev, S., Friederich, W.
  • 2012. A shear wave velocity model of the European upper mantle from automated inversion of seismic shear and surface waveforms, Geophys. J. Int., 191, 282–304
    Legendre, C., Meier, T., Lebedev, S., Friederich, W. and Viereck-Götte, L.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1111/j.1365-246X.2012.05613.x)
  • 2012. A shear wave velocity model of the upper mantle beneath Europe and surroundings, Dissertation, Ruhr-Universität Bochum
    Legendre, C.
  • 2012. A shear-wave velocity model of the European upper mantle from automated inversion of seismic shear and surface waveforms, 32nd General Assembly of the European Seismological Commission, Moscow, Russia
    Meier, T., Legendre, C., Lebedev, S., Friederich, W. & Viereck-Götte, L.
  • 2012. A shear-wave velocity model of the European upper mantle from automated inversion of seismic shear and surface waveforms, DGG Hamburg, Hamburg, Germany
    Legendre, C., Meier, T., Lebedev, S., Friederich, W. & Viereck-Götte, L.
  • 2012. A shear-wave velocity model of the European upper mantle from automated inversion of seismic shear and surface waveforms, EGU Vienna, EGU2012-8251
    Legendre, C., Meier, T., Lebedev, S., Friederich, W. & Viereck-Götte, L.
  • 2013. A shear-wave velocity model of the European upper mantle from automated inversion of seismic shear and surface waveforms, Basalt 2013, Görlitz, Germany
    Meier, T., Legendre, C., Lebedev, S., Friederich, W., & Viereck-Götte, L.
 
 

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