The Taste of Moral – Einfluss von ethisch-moralischen Werten auf das Geschmacks- und Beliebtheitsempfinden von Produkten
Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt „The Taste of Moral“ hatte zum Ziel, den Grad der Moralität einer Person als sozialpsychologische Variable im Zusammenhang mit dem Marketing Placebo Effekt (MPE) genauer zu betrachten. Der MPE bezeichnet die Wirkung von Marketingmaßnahmen, die das Produktempfinden beeinflussen, ohne jedoch das Produkt physisch zu verändern. In diesem Projekt wurde der MPE bei Produkten tierischen Ursprungs (Fleisch, Schweineminutensteaks) untersucht und die vierstufige deutsche Haltungsformkennzeichnung für landwirtschaftliche Nutztierhaltung als Marketing Placebo genutzt. Es sollte gezeigt werden, ob und wie sich das psychophysiologische Geschmacks- und Beliebtheitsempfinden je nach Haltungsformkennzeichnung (Haltungsformstufe 1 oder 3) und moralischen Wertevorstellungen der Personen verändert. Entsprechend lautete die Forschungsfrage: Wirkt die Moralität einer Person moderierend auf den MPE und kann Varianz in diesem Effekt durch Unterschiede auf sozialpsychologischer Basis erklärt werden? Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurde eine Doppelblind-Verkostungsstudie in Form eines kontrollierten, sensorischen Laborexperiments durchgeführt, wobei Unterschiede in der Produktbeschaffenheit und experimentell bedingte Störfaktoren ausgeschlossen werden können. Ein Unterschied in der Produktwahrnehmung kann also nur durch eine veränderte Erwartungshaltung gegenüber den Produkten entstehen, bei denen moralische Werte berücksichtigt werden. Durch die Ergebnisse kann bestätigt werden, dass die Haltungsformkennzeichnung von Fleisch einen robusten Einfluss auf die psychophysiologische Wahrnehmung von Fleisch hat. In allen hedonischen Bewertungskriterien sowie im direkten Vergleich der Produktproben konnte der MPE identifiziert werden. Dabei wurden Produkte, die durch die Haltungsformkennzeichnung auf höhere Tierwohlstandards hinweisen (Haltungsformstufe 3), im direkten Vergleich präferiert und besser bewertet als Produkte, die durch die Haltungsformkennzeichnung auf Haltungsbedingungen nach gesetzlichem Mindeststandard (Haltungsformstufe 1) hinweisen. Zudem konnte die individualisierte Moralität, insbesondere in Bezug auf die Berücksichtigung vom Wohlergehen anderer, als Moderator für die psychophysiologische Wahrnehmung von Fleisch identifiziert werden. Die Moralität wurde dabei durch zwei Theorien der Moralentwicklung und der moralischen Grundlagen quantifiziert. Je höher die Moralität ausgeprägt ist, desto weniger stark ist der MPE. Es wird angenommen, dass der MPE durch die Haltungsformkennzeichnung mit zunehmenden Erwartungssteigerung abnimmt, und der Grad der Moralität diese Erwartungssteigerung verstärkt. Dieses Projekt leistet nicht nur einen Beitrag zur Marketing Placebo Forschung, indem es einen neuen sozialpsychologischen Faktor in dieses Forschungsgebiet einführt, sondern liefert auch eine Erklärung für gesellschaftliche Entwicklungen im Hinblick auf den Fleischkonsum. Das Wohlergehen von Tieren scheint zu veränderter sensorischer Beliebtheit führen zu können, selbst wenn Unterschiede in der Produktbeschaffenheit und experimentell bedingte Störfaktoren ausgeschlossen werden. Dabei scheint die Moralität einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf diese Wahrnehmung zu haben, was wertvolle Hinweise darauf geben kann, wie Moral, Tierwohl und Genuss zusammenhängen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Taste of Moral – Influence of Moral Values on Taste Expectations. Proceedings of the European Marketing Academy Conference (EMAC) Annual Conference 2023.
Harms, R., Diehbach, S. & Gier, N.R.
