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Koordinationsfonds
Antragsteller
Professor Dr. Martin Wengeler
Fachliche Zuordnung
Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung
Förderung seit 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 441142207
Die geplante Forschungsgruppe zielt darauf ab, durch die Untersuchung eines breiten Spektrums kontroverser Diskurse seit 1990 die jüngste Sprachgeschichte des Deutschen aufzuarbeiten und darzustellen. Denn anders als in der Historiographie wird “Sprachgeschichte als Zeitgeschichte“ nur in Einzelstudien etwa zum Klimadiskurs, zu Wirtschaftskrisendiskursen oder zum Diskurs über embryonale Stammzellenforschung praktiziert. Eine die wichtigsten Themenfelder öffentlich-politischer Debatten abdeckende Gesamtdarstellung ist für die Zeit seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 ein Desiderat. Die hier beantragte Forschungsgruppe setzt sich zum Ziel, diese Forschungslücke zu schließen. Dies geschieht auf der Grundlage der sprachtheoretischen Überzeugung von der realitätskonstitutiven Kraft der Sprache. Aus dieser Überzeugung folgt, dass eine Aufklärung darüber, wie in welchen Themenfeldern die jeweiligen „Wirklichkeiten“ sprachlich konstruiert und durchgesetzt wurden, als eine wertvolle Ergänzung zur Zeitgeschichtsschreibung angesehen werden kann, da diese sich allzu oft durch Dis-kursvergessenheit auszeichnet, wenn sie z.B. in ihrer Darstellung von Wirtschaftskrisen die sprachlich-diskursive Wirklichkeitskonstruktion, mit der solche „Krisen“ überhaupt erst wahrnehmbar werden, nicht mit reflektiert. Dieses gesellschaftlich relevante Forschungsziel kann nur in einem größeren Verbundprojekt und in zwei Förderphasen umgesetzt werden, da viele inhaltlich miteinander verwobene Themenfelder über einen Zeitraum von jeweils etwa 30 Jahren abzudecken sind. In den Vorarbeiten zu diesem Antrag hat die Forschungsgruppe Hypothesen zu diskurssemantischen Grundfiguren entwickelt, über die sich diese Themen zu Themen- und damit Projekttandems bündeln lassen und über die sich ihr jeweiliges kontroverses Potenzial pointiert fokussieren lässt.Zudem hat sich in den letzten Jahrzehnten eine intensive methodologische Diskussion in der Diskurslinguistik entwickelt. Diese hat ein breites Forschungsfeld etabliert, das eine große Bandbreite von Methoden anbietet, mit denen die Repräsentativität, Reliabilität und Validität der in der Forschungsgruppe angestrebten sprachhistorischen Ergebnisse verbessert werden kann. Diese Methoden erfordern aber auch einen großen Aufwand hinsichtlich der Korpuserstellung und -auswertung. Einbezogen werden dabei insbesondere korpuslinguistische Verfahren, die sich verstärkt im letzten Jahrzehnt für die linguistische Diskursanalyse als weiterführend erwiesen haben. Mit digitalen Methoden der Aufbereitung, Annotation, Analyse und Visualisierung von Textdaten kann die Diskurslinguistik auf die immer größer werdende Menge an zugänglichen Texten angewandt und mit textstatistischen Verfahren trianguliert werden. Der Mehrwert der Forschungsgruppe besteht demzufolge auch darin, dass über die Verbundforschung mit einer gemeinsamen digitalen Infrastruktur eine kollaborative Methodologie der verstehenden Diskursgeschichte entwickelt wird.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen