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Referenzielle Praxis im Wandel: Das Pronomen 'man' in der Diachronie des Deutschen

Fachliche Zuordnung Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 457855466
 
Im gebrauchsbasierten Ansatz der Forschungsgruppe (FG) 'Praktiken der Personenreferenz: Personal-, Indefinit- und Demonstrativpronomen im Gebrauch' deckt das Projekt auf, wie sich die grammatischen und interaktionalen Sondereigenschaften des unpersönlichen Pronomens 'man' in der Diachronie des Deutschen entwickelt und routinisiert haben. Ziel 1 besteht darin, anhand der Referenzkorpora Altdeutsch und Mittelhochdeutsch zu rekonstruieren, wie sich pronominales 'man' aus generischen NPn mit 'Mann/Mensch' etabliert. Es wird ermittelt, wie sich Konstruktionstypen und Kontexte verfestigen, die nominale und pronominale Verwendungen disambiguieren bzw. Brückenkontexte bilden. Im Ergebnis wird ein empirisch fundierter Grammatikalisierungspfad für deutsch 'man' elaboriert und konkretisiert. Mituntersucht wird, wie sich grammatisches Sonderverhalten etabliert (z.B. Suppletion mit 'ein') und sich die Indefinita 'jemand'/'niemand' abspalten. V.a. aber wird die Hypothese verfolgt, dass frühe Konstruktionspräferenzen von 'man' spätere interaktionale Funktionen des Pronomens anbahnen. In der prototypischen generischen Verwendung wirkt nhd. 'man' agensdefokussierend und ist offen für alle Konstellationen der Personenreferenz, d.h. SprecherInnen können damit auf Unbeteiligte, Adressierte, aber auch sich selbst verweisen und durch die Wahl des Pronomens sich und andere in Bezug auf Verantwortlichkeit, Normansprüche, Überindividualität und soziale Zugehörigkeiten positionieren. Daher besteht Ziel 2 darin, zu ermitteln, wann und wie sich die multiplen referenziellen Funktionen etabliert und routinisiert haben und (zus. mit den anderen hist. Teilprojekten) wie die Funktionsspektren von 'man' und Personalpronomen interagieren. Praxisbezogen kann dieser Fragenkomplex für historische Sprachstufen nur im Vergleich verschiedener Genres als Verfestigungen unterschiedlicher Bedarfe kommunikativer Praxis untersucht werden. Da bestehende hist. Korpora des Dt. allein keine hinreichende Basis für einen Genrevergleich bieten, werden für das 16.-18. Jh. ergänzend exemplarische Tiefenschärfesamples angelegt: als wissens- und informationsvermittelnde Genres werden Pesttraktate, Bäderkunden und (Neue) Zeitungen einbezogen, als dialogbezogene Genres Komödien, Musterdialoge in Sprachlehren und Verhörprotokolle. Mehrere Genres haben Querverbindungen zu anderen Teilprojekten. Korpora und Tiefenschärfesamples werden daraufhin untersucht, wann und in welchen konstruktionellen Kontexten sich interaktionale Funktionen wie Sprecherreferenz und Verantwortungsmanagement entwickeln und routinisieren, welche Funktionen genrespezifisch sind und wie 'man' mit Personalpronomen und unpersönlichen Konstruktionen interagiert. Für beide Ziele werden quantifizierende mit qualitativen Methoden aus Grammatikalisierungsforschung und Interaktionaler Linguistik kombiniert und es wird die Reichweite der interaktional-linguistischen Ansätze der Forschungsgruppe an sprachhistorischen Daten erprobt.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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