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Neue Nanostruktursonden in der Elektronenspinresonanz

Fachliche Zuordnung Experimentelle Physik der kondensierten Materie
Förderung Förderung von 2007 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 51073450
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Forschungsschwerpunkt der von Dr. Malte Drescher geleiteten und von 2008 bis 2013 im Emmy-Noether-Programm und seit 2014 im Heisenberg-Programm der DFG geförderten Gruppe ist die Entwicklung und Anwendung von Methoden zur Untersuchung von Dynamik und Struktur von Makromolekülen. Sogenannte Spinmarker können in der Elektronenspinresonanz- (ESR-) Spektroskopie zur Abstandsmessung im Nanometerbereich eingesetzt werden. Spinmarker sind kleine Sondenmoleküle mit einem ungepaarten Elektron, die an das zu untersuchende Makromolekül angebracht werden. Die Detektion der Spinmarker erfolgt dabei über deren magnetisches Moment, das mit ihrem Eigendrehimpuls verknüpft ist. Zwischen zwei Spinmarkern herrscht eine Dipol-Dipol-Wechselwirkung, deren Stärke vom Abstand abhängt. Die Methode eignet sich insbesondere für die Untersuchung der Struktur polymorpher Makromoleküle. Intrinsisch ungeordnete Proteine (intrinsically disordered proteins, IDPs) weisen eine bemerkenswerte Flexibilität hinsichtlich ihrer Konformation auf. In Lösung unter physiologischen Bedingungen sind sie ungefaltet, wechselwirken sie mit anderen zellulären Komponenten wie beispielsweise Membranen oder anderen Proteinen, falten sie in geordnete Konformationen. Es liegt nahe, dass diese Eigenschaft es ihnen ermöglicht, vielfältige Wechselwirkungen einzugehen und ihre Konformation der jeweils benötigten Funktion anzupassen. Intrinsische Unordnung ist häufig bei Proteinen anzutreffen, die in Verbindung mit neurodegenerativen Krankheiten stehen. Ein Paradebeispiel für IDPs ist Alpha-Synuclein, das den Hauptbestandteil der sogenannten Lewy-Körperchen bildet, die wiederum charakteristisch für die Parkinsonsche Krankheit sind. Die Gruppe untersucht Alpha-Synuclein als Modellsystem für IDPs, um die molekularen Prozesse von Parkinson und ähnlichen Krankheiten zu untersuchen. Hoch aufgelöste Strukturbilder von Makromolekülen werden durch Röntgenstrukturanalyse und Kernspinresonanz-Spektroskopie erzeugt, entweder in kristalliner Form oder hoch konzentriert im Reagenzglas. Um die Struktur der Makromoleküle unter dem Einfluss der biologisch relevanten zellulären Umgebung zu untersuchen, arbeitet die Gruppe daran, ESR-Messungen in Zellen durchzuführen. Eine Möglichkeit dazu besteht darin, die spinmarkierten Moleküle durch eine Mikroinjektion in das Cytoplasma einzubringen. Ideal für diesen Zweck sind Zellen des Glatten Krallenfroschs, da aufgrund ihrer Größe nur wenige Zellen für ein ESR-Experiment benötigt werden. Ein Anwendungsbeispiel sind Quadruplexe menschlicher Desoxyribonukleinsäure (DNA) - viersträngige Nukleinsäurestrukturen, die im Gegensatz zur berühmten DNA-Doppelhelix eine Vielzahl von Konformationen aufweisen. Gleichzeitig spielt die Bildung von Quadruplexen innerhalb der Telomere am Ende des Chromosoms eine wichtige Rolle für dessen Schutz und für die Regelung des Zellzyklus. Für ein intrazelluläres ESR-Experiment wurde eine menschliche Telomer-Sequenz ortsspezifisch spinmarkiert. Die ungefaltete Sequenz wurde in lebende Zellen injiziert. Nach einer Inkubationszeit von 15 Minuten konnten zwei koexistierende Konformationen nachgewiesen werden. Dies eröffnet die Möglichkeit, spezifische Molekülkomplexe zu entwickeln, die unter anderem vielversprechende Ansätze für die Krebsbekämpfung bieten. Die zwei wesentlichen Vorteile der neuen Methode sind ihre hohe Empfindlichkeit, die es erlaubt, niedrige Konzentrationen zu verwenden, sowie die Tatsache, dass allein das Signal der Spin-Sonden gemessen wird. Dadurch funktioniert die Methode selbst innerhalb von Zellen praktisch ohne Hintergrundrauschen. Eine zweite, elegantere Methode für intrazelluläre ESR-Spektroskopie besteht darin, Spinmarker bereits bei der natürlichen Biosynthese des Proteins in der Zelle einzubauen. Während künstliche Aminosäuren mit speziellen Eigenschaften, die direkt in der Zelle in Proteine eingebaut werden, schon seit Jahren bekannt sind, war es bisher noch nicht gelungen, eine paramagnetische künstliche Aminosäure zu entwickeln. Hier ist der Gruppe in Zusammenarbeit mit Dr. Daniel Summerer, Universität Konstanz, der Durchbruch gelungen. Damit ist sie dem großen Ziel, Struktur und Dynamik von Proteinen mit hoher Genauigkeit direkt in der Zelle zu messen, einen großen Schritt näher gekommen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Angewandte Chemie Int. Ed. 48 (2009) 9728-9730 and Angewandte Chemie 121 (2009) 9908-9910
    V. Singh, M. Azarkh, T. Exner, J. Hartig, M. Drescher
  • Direct evidence of coexisting horseshoe and extended helix conformations of membrane bound alpha-Synuclein. ChemPhysChem 12 (2010) 267-269
    M. Robotta, P. Braun, B. van Rooijen, V. Subramaniam, M. Huber, and M. Drescher
  • The proline-rich domain of TonB possesses an extended polyproline II-like conformation of sufficient length to span the periplasm of Gram-negative bacteria. Protein Science 19 (2010) 625-630
    S. Domingo Köhler, A. Weber, S. P. Howard, W. Welte, and M. Drescher
  • A short note on the analysis of distance measurements by electron paramagnetic resonance. Journal of Magnetic Resonance, 208 (2011) 167-170
    S. Domingo Köhler, M. Spitzbarth, K. Diederichs, T. E. Exner, M. Drescher
  • Long-Range Distance Determination in a DNA Model System inside Xenopus Laevis Oocytes by In- Cell Spin-Label EPR. ChemBioChem, 12 (2011) 1992 – 1995
    M. Azarkh, V. Singh, I. Seemann, J. S. Hartig, D. R. Dietrich, M. Drescher
  • Mechanism of Multivalent Carbohydrate-Protein Interactions Studied by EPR Spectroscopy. Angewandte Chemie, 50 (2011) 8428–8431
    P. Braun, B. Nägele, V. Wittmann, M. Drescher
  • Intracellular Conformations of Human Telomeric Quadruplexes studied by EPR. ChemPhysChem, 13 (2012)1444-1447
    M. Azarkh, V. Singh, O. Okle, D. R. Dietrich, J. S. Hartig, M. Drescher
  • Locally Resolved membrane binding affinity of the N-terminus of α-Synuclein. Biochemistry, 51 (2012) 3960–3962
    M. Robotta, C. Hintze, S. Schildknecht, N. Zijlstra, C. Jüngst, C. Karreman, M. Huber, M. Leist, V. Subramaniam, M. Drescher
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1021/bi300357a)
  • Site-directed spin-labeling of nucleotides and the use of in-cell EPR to determine long-range distances in a biologically relevant environment. Nature Protocols, 8 (2013) 131–147
    M. Azarkh, V. Singh, O. Okle, I. T. Seemann, D. R. Dietrich, J. S. Hartig, M. Drescher
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1038/nprot.2012.136)
  • Triplet state kinetics of Anthracene studied by pulse EPR. Molecular Physics, 111 (2013) 2908-2913
    S. Domingo Köhler, S. Höfel, M. Drescher
  • A Genetically Encoded Spin Label for Electron Paramagnetic Resonance Distance Measurements. Journal of the American Chemical Society, 136 (2014) 1238–1241
    M. Schmidt, J. Borbas, M. Drescher, D. Summerer
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1021/ja411535q)
  • Genetically encoded spin label. Europäisches Patentamt, 14151074.3 – 1405 (2014)
    M. Schmidt, M. Drescher, D. Summerer
 
 

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