Der 2. Teil von Immanuel Kants 'Metaphysik der Sitten' mit dem Titel 'Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre'
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Kants Tugendlehre, der zweite Teil seiner Metaphysik der Sitten (1797), ist ein wesentlicher Teil von Kants Moralphilosophie. Der renommierte Kant-Forscher Allen Wood hat dieses Spätwerk als ,the Final Form of Kant's Practical Philosophy' charakterisiert. Das Ergebnis des Forschungsprojekts ist der erste umfassende Kommentar zu dieser wichtigen moralphilosophischen Schrift. 18 Kant-Experten haben den Text - einschließlich der Einleitung zur Metaphysik der Sitten als Ganzer - durchgängig kommentiert. Die Auseinandersetzung mit Kants Tugendlehre ist vor allem auch deshalb von zentraler Bedeumng, weil sie uns ein umfassenderes Bild von Kants Moralphilosophie vermittelt als seine grundlegenden Werke, die ,Grundlegung zur Metaphysik der Sitten' (1785) und die ,Kritik der praktischen Vemunft' (1788). In ihrer Rezeptionsgeschichte wurde die Moralphilosophie Kants immer wieder wegen ihrem angeblichen Formalismus und Rigorismus kritisiert. Eine intensive Auseinandersetzung mit der Tugendlehre hilft uns dabei, eine differenziertere Sicht von Kants Moralphilosophie zu gewinnen. Kant nermt die Tugendpflichten ,weite ethische Pflichten' (vgl. TL 6:391.27). Und er hebt nicht nur deren inhaltliche Bestimmung hervor (die eigenen Vollkommenheit und die Glückseligkeit anderer), sondern betont darüber hinaus - was ebenfalls im Widerspmch zu Vielem steht, was über seine Moralphilosophie gesagt wird - die Rolle der Emotionen: „Ohne alles moralische Gefühl ist kein Mensch; denn bei völliger Unempfänglichkeit für diese Empfindung wäre er sittlich todt [...]" (TL 6:400.9-11). Auch die Tatsache, dass Umgangstugenden und Freundschaften eine zentrale Rolle in Kants Tugendlehre spielen, stellt eine beliebte Karikatur der Kantischen Ethik infrage, die sie auf kühle Vernunfterwägungen reduziert. Die Diskussion von konkreten ethischen Pflichten endet immer wieder mit kasuistischen Fragen, die den Mythos eines übertrieben rigorosen Systems widerlegen. Ändert Kant seine Moralphilosophie in der Tugendlehre radikal, wie einige seiner Interpreten behaupten, so dass wir es hier tatsächlich mit der ,endgültigen Fassung seines moralphilosophischen Denkens' zu tun haben? Oder kommt es ihm hier darauf an, diejenigen Aspekte seiner rationalen Moralkonzeption herauszuarbeiten, die speziell für den Menschen mit seiner spezifischen Verfassung als sinnliches Vernunftwesen relevant sind, ohne dass dadurch Änderungen am rationalen Fundament seiner Moraltheorie vorgenommen werden? Derartige Fragen hat das Forschungsprojekt thematisiert. Vielleicht wurden sie im Einzelfall nicht einer endgültigen Lösung zugeführt, aber mit dem Kommentar wurde jedenfalls das Fundament für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Spätwerk Kants gelegt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Kant's "Tugendlehre". A Comprehensive Commentary, Berlin/Boston: Walter de Gruyter 2013
Andreas Trampota/Oliver Sensen/Jens Timmermann (Hrsg.); Kant, Immanuel