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Korpuslinguistik und diachrone Syntax: Die Grammatikalisierung peripherer Subjekte in slavischen Sprachen

Fachliche Zuordnung Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung Förderung von 2007 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 52445734
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In unserer korpusbasierten Studie haben wir uns mit Modalkonstruktionen des Kroatischen befasst, wobei wir uns auf morphosyntaktische Mikrovariation hinsichtlich der Markierung des Subjektkasus, des Tempus und der Kongruenz konzentriert haben. Wir haben korpusgetrieben verschiedene Kombinationen dieser drei Merkmale identifiziert und als Konstellationstypen 1-6 beschrieben, wobei wir festgestellt haben, dass Prädikate der Notwendigkeit größere Mikrovariation als Prädikate der Möglichkeit erlauben. Wir haben gesehen, dass einige modale Prädikate auch in komplexen Sätzen auftreten können, die dadurch gekennzeichnet sind, dass das Komplement eine eigene Tempusmarkierung und ein unabhängiges Subjekt (Privilegierter Syntaktischer Argumentausdruck PSA) aufweist. Modalkonstruktionen im Kroatischen zeigen Variation kanonischer und nichtkanonischer Kasusmarkierung des Subjekts. Sätze mit non-overtem PSA sind diesbezüglich häufig ambig. Alle PSA in Modalkonstruktionen weisen nur wenige Verhaltenseigenschaften auf. Dazu zählen Kontrolle von PRO in Adverbialpartizipialphrasen und unter Vorbehalt Obviation in Finalsätzen. Damit ist klar geworden, dass selbst kanonisch markierte PSA in Modalkonstruktionen nicht das volle Repertoire an Subjekteigenschaften wie b-subjects im Sinne Keenans (1976) aufweisen. Im Zusammenhang mit semantischen Eigenschaften haben wir getestet, inwieweit Hebungs- oder Kontrollkonstruktionen vorliegen. Der Status hängt nicht ausschließlich vom Prädikat ab, sondern es haben auch bestimmte Kodierungseigenschaften Einfluss. Hinsichtlich der Beziehung PSA-Ausdruck und Komplementtyp haben wir festgestellt, dass modale Prädikate vier Arten von Komplementen erlauben: a) Infinitivkomplement (overtes Subjekt nicht möglich), b) da1-Komplement (overtes PSA nicht möglich), c) da1-Komplement (overtes Subjekt möglich) und d) da2- Komplement (overtes PSA nicht möglich). Da1-Komplemente mit eigenem overtem Subjekt sind Teile komplexer Sätze. Eigens für die diachrone Studie wurde das linguistische Referenzkorpus zur Geschichte des Kroatischen CroDi erstellt. Es findet sich auf dem Korpusserver der Berliner Slawistik unter http://hu.berlin/crodi und ist der Fachöffentlichkeit frei zugänglich. Es ist abfragbar über ANNIS. CroDi hat einen Umfang von 372.690 tokens und enthält bisher Texte des 16.-19.Jh. in allen Ausprägungen des Kroatischen (Štokavisch, Čakavisch und Kajkavisch). Es wurden verschiedene Genres, vor allem Sachtexte berücksichtigt, um eine gewisse Registerbreite abzudecken. Die Texte sind zum Teil von Hand annotiert. Durch die Aufnahme in das Korpus werden die enthaltenen Texte international zugänglich, was weitere komparatistische Untersuchungen ermöglicht. Auf der Basis der Auswertung aller Belege für Modalkonstruktionen (2.985 Sätze) in CroDi haben wir folgende Entwicklungslinien auffinden können. Zum ersten sehen wir lexikalischen Wandel: Einige Prädikate kommen außer Gebrauch (wie uzmožan), während andere neu entstehen (z.B. morati, valjati) und dritte sich funktional wandeln. Besondere Aufmerksamkeit haben wir dem Verb trebati gewidmet. Wir postulieren, dass sich das Verb erst ab dem 18. Jahrhundert aus dem nominalen treba entwickelt. Zum zweiten zeigt die Verteilung nach Wortarten eine gewisse Konstanz: Von Anfang an dominieren in Type- und Tokenzahl klar Verben, während Substantive außer Gebrauch kommen. Daneben halten sich mit geringerer Textfrequenz auch Adjektive. Hinsichtlich der Entwicklung der Konstellationstypen sehen wir drittens, dass bereits im Unterkorpus 1 (16. Jh.) Typ 1 Ljudi moraju raditi mit Abstand überwiegt, was sich in den weiteren Unterkorpora noch weiter verstärkt. Typ 3 Ljudima valja raditi hält seine Position auf recht niedrigem Niveau, während Typ 4 Ljudima treba da rade abnimmt; Typ 2 Ljudi moraju da rade ist durchgängig peripher. Damit ist nachgewiesen, dass Modalität über den Untersuchungszeitraum hinweg vorwiegend durch sog. persönliche Konstruktionen mit dem Infinitiv (Typ 1) ausgedrückt wird. Die Typen 5 Ljudi mora da su radili und 6 Ljudi treba da rade, die sich durch nominativische Subjekte und Kongruenz mit dem lexikalischen Komplement auszeichnen, sind hingegen in CroDi nicht belegt; sie sind vermutlich spätere Innovationen. Als wichtiges Ergebnis der diachronen Studie lässt sich festhalten, dass die Tempus- und Kongruenzmarkierung noch fest an das modale Prädikat gebunden ist und die alleinige Markierung am lexikalischen Komplement noch nicht nachgewiesen ist. Die Aufspaltung der Finitheitskategorien Tempus und Kongruenz ist somit ein späterer syntaktischer Wandel.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2016. Regensburški dijakronijski korpus hrvatskoga jezika (CroDi). In: Rasprave. Časopis Instituta za hrvatski jezik i jezikoslovlje 42.1, 1-19
    Hansack, Ernst; Hansen, Björn; Horvat, Marijana; Perić Gavrančić, Sanja; Wald, Veronika
  • Forty Years after Keenan 1976. Subject Properties and Subject Tests, Conference, Ghent University, Belgium: „Beyond b-subjects: testing subjecthood in Croatian modal constructions”
    Björn Hansen
  • SLE 2016, 49th Annual Meeting of the Societas linguistica Europaea; University of Naples Federico II, Naples, Italy: „Testing subjecthood in Croatian”
    Björn Hansen
  • Subjektkasus und Finitheit: Eine korpusbasierte Studie zur Mikrovariation und zur Entwicklung kroatischer Modalkonstruktionen. T. 1. Mikrovariation im modernen Kroatischen. In: Zeitschrift für slavische Philologie 74 (2018), Issue 1, 113 - 195
    Hansen, Björn; Wald, Veronika; Kolakovic, Zrinka
 
 

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