Detailseite
Projekt Druckansicht

Soziale Normen, Sanktionen und Reziprozität: Eine empirische Analyse mit der Methode des faktoriellen Surveys

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2002 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5386237
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt verwendet eine spieltheoretische Perspektive und experimentelle Untersuchungsanordnungen zur Analyse konjunkter und disjunkter sozialer Normen im Sinn Colemans (1990). (1) Konjunkte soziale Normen der Kooperation, die durch Sanktionen durchgesetzt werden, wurden mit spieltheoretischen Modellen (z.B. eines Zweipersonen-Gefangenendilemmas mit Sanktionsmöglichkeit (auch als "Normspiel" bezeichnet)) untersucht. Aus spieltheoretischer Sicht liefert die Standardannahme des rationalen Egoismus die Vorhersage, dass im einmaligen Normspiel weder kooperiert noch sanktioniert wird, sofem die aktive Sanktionierung (Bestrafung) materielle Kosten auslöst. Verschiedene experimentelle Designs wurden in Vignettenstudien und Laborexperimenten zum Normspiel und analogen Situationen durchgeführt. Es zeigen sich Effekte, die insgesamt unter dem Gesichtspunkt interpretiert werden können, dass es Akteure gibt, die "soziale Präferenzen" in ihrem Verhalten wirksam werden lassen, für die also die Standardannahme des Egoismus nicht zutrifft. Insbesondere kann man „starke" Reziprozität in folgender Hinsicht beobachten: Es wird sowohl in einem beträchtlichen Ausmaß kooperiert als auch sanktioniert. Darüber hinaus gibt es bedingte Kooperation: Wenn die Kooperation des Partners erwartet wird, ist die Kooperationsbereitschaft höher. Es zeigen sich auch Evidenzen für negative Reziprozität: Wer selbst mit einem nichtkooperativen Partner kooperiert hat, ist häufiger bereit, den Partner zu bestrafen. Anders als in einigen früheren Untersuchungen mit ähnlichen Spielen gibt es keine Indizien daftar, dass Bestrafungsmöglichkeiten das Kooperationsniveau und die Wohlfahrt der Akteure verbessern. (2) Disjunkte Normen und ihre Durchsetzung durch spezialisierte „Überwacher" wurden ebenfalls untersucht. Die Beziehung zwischen Kriminalität und Strafe wurde im Anschluss an Tsebelis (1990) spieltheoretisch modelliert und erstmals in Laborexperimenten umgesetzt, in denen Versuchspersonen die Rollen von „Straftäterinnen" und „Überwachern" übernahmen. Die kontra-intuitiven Vorhersagen des Modells, wonach die Sanktionshöhe keine Wirkung auf die Wahrscheinlichkeit, mit der abweichendes Verhalten gewählt wird, besitzt, bestätigt sich nur partiell. Es zeigt sich jedoch, dass es grundsätzlich fruchtbar und möglich ist, Aspekte der Interaktion zwischen Normabweichlern und Sanktionsgebern im Laborexperiment zu untersuchen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2003. "Sanktionen in sozialen Dilemmata - Eine spieltheoretische Untersuchung mit Hilfe eines faktoriellen Online-Surveys". Arbeitsbericht Nr. 37 des Instituts für Soziologie, Universität Leipzig
    Vieth, Manuela
  • 2004. „Reziprozität im Gefangenendilemma - Eine spieltheoretische Untersuchung mit Hilfe eines faktoriellen Online-Surveys". Arbeitsbericht Nr. 40 des Instituts für Soziologie, Universität Leipzig
    Vieth, Manuela
  • 2006. Beiträge und Sanktionen in Kollektivgutsituationen: Ein faktorieller Survey. Band I und II. Arbeitsbericht Nr. 42 des Instituts für Soziologie, Universität Leipzig
    Seyde, Christian
  • 2006. Vertrauen und Sanktionen in der Entwicklungszusammenarbeit: Ein faktorieller Survey. Arbeitsbericht Nr. 44 des Instituts für Soziologie, Universität Leipzig
    Seyde, Christian
  • 2007. „Höhere Strafen zur Herstellung sozialer Ordnung?" In: Verhandlungsband des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006, Ffm.: Campus
    Rauhut, Heiko
  • 2008. "Kooperationsnormen und vergeltende Sanktionen - Experimentelle Untersuchungen". Arbeitsbericht Nr. 50 des Instituts für Soziologie, Universität Leipzig (überarbeitete Fassung 09/2008)
    Voss, Thomas und Manuela Vieth
  • 2008. "Soziale Normen und Reziprozität - Die Bedeutung 'sozialer' Motive für die Rational-Choice-Erklärung sozialer Normen". S. 83-100 in: Andreas Diekmann, Klaus Eichner, Peter Schmidt und Thomas Voss (eds.), Rational Choice: Theoretische Analysen und empirische Resultate: Festschrift für Karl-Dieter Opp zum 70. Geburtstag, Wiesbaden: VS-Verlag
    Diekmann, Andreas und Thomas Voss
  • 2008. Crime and Punishment from a Game Theoretic Perspective. Dissertation, Universität Leipzig
    Rauhut, Heiko
  • „Die Durchsetzung sozialer Normen in Low-Cost- und High-Cost-Situationen". Zeitschrift für Soziologie 37 (5)
    Rauhut, Heiko und Ivar Krumpal
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung