Entwicklung einer elektro-akustischen "Stimmgabel" zur objektiven Hörprüfung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des geplanten Projekts war die prototypische Entwicklung eines kleinen portablen Handgerätes, welches wie die Stimmgabel kompakt, mobil und unabhängig von der Steckdose verwendet werden kann. Allerdings sollten im Gegensatz zu den Stimmgabeltests physiologische Messgrößen erfasst werden. Ausgangsfrage hier war, ob die bei Luftleitung (LL) und Knochenleitung (KL) ausgelösten otoakustischen Emissionen (OAE) geeignete Messgrößen hierzu sind. Es wurde ein Handgerät mit kleinen Abmessungen entwickelt, wobei die Steuerung des Messablaufs über ein suggestives, einfaches Menü mittels eines im Gehäuse befindlichen Touch-Screens erfolgt. Zur binauralen Messung der KL-OAE im Neugeborenen-Hörscreening wurde eine Ohrsonde mit nur einem Mikrophon entwickelt, die komplett im Gehörgang eines Neugeborenen eingesetzt werden kann (CIC), so dass gleichzeitiges Messen der KL-OAE an beiden Ohren möglich ist. Zur Übertragung möglichst verzerrungsarmer KL-Stimuli wurden die Übertragungseigenschaften handelsüblicher Knochenleitungshörer bei Applikation verschiedener Klickstimuli (Rechteck-Klick, bandbegrenzter Klick, invers gefilterter Klick, Klickfolge) untersucht. Der bandbegrenzte Rechteck-Impuls erwies sich als optimale Stimulusform. Optimaler Stimulationsort war das Mastoid bei Erwachsenen, beziehungsweise die Stirn bei Säuglingen. Bester Knochenleitungshörer war der B-71 (RadioEar). Es konnte gezeigt werden, dass die Performance der KL-TEOAE durch Einsatz eines nichtlinearen Reizprotokolls in Kombination mit einem eigens entwickelten Reizartefakt-Filterverfahren wesentlich verbessert werden kann. Die Antwortmuster der KL-TEOAE waren denen der LL-TEOAE im Latenz- und Wachstumsverhalten nahezu gleich. Dies bestätigt die Annahme, dass – wegen des Steifigkeitsgradienten der Basilarmembran - die cochleäre Anregung bei beiden Reizmodalitäten nahezu identisch ist. Die bei KL- Anregung binaural gemessenen KL-TEOAE traten - wegen der efferenten Suppression - im Vergleich zu den monaural gemessenen LL-TEOAE mit kleineren Amplituden auf. Die theoretisch mögliche Halbierung der Messzeit konnte daher nicht erreicht werden. Dies ist jedoch kein Nachteil der KL-TEOAE an sich, da ja auch die binaural gemessenen LL-TEOAE in gleicher Weise betroffen sind. Zur weitgehenden verzerrungsfreien Übertragung der Primärtone zur Auslösung der KL-DPOAE war, zumindest bei niedrigen Reizpegeln (wie sie im Neugeborenen-Hörscreening üblich sind), ein Knochenleitungshörer ausreichend. Anhand von Modell- und Messdatendaten konnte aufgezeigt werden, dass bei den beiden häufigsten Ursachen für Schallleitungsstörungen – nämlich Versteifung als Folge der Druckdifferenz zwischen Mittelohr und Umgebungsdruck (z.B. bei Tubenventilationsstörung) und Massebelag (z.B. bei Fruchtwasserresten in der Paukenhöhle) – die KL-OAE wegen ihres größeren Emissionspegels als diagnostisches Verfahren besser geeignet sind als die LL-OAE. Erste Messungen an Säuglingen haben gezeigt, dass KL-OAE eine Alternative zu den LL-OAE sein können. Vorteile sind die bessere Handhabbarkeit der CIC-Ohrsonden, die Möglichkeit zur gleichzeitigen Messung beider Ohren und die höhere Sensitivität bei Störungen der Schallleitung als Folge von Fruchtwasser oder Tubenfunktionsstörungen in der frühen postnatalen Phase. In Hinblick auf einen routinemäßigen Einsatz der KL-OAE im Neugeborenen-Hörscreening sind weitere methodische und apparative Entwicklungen nötig. KL-TEOAE sollten in Kombination mit KL-DPOAE bei hohen Frequenzen gemessen werden, um die Funktion der Schallverarbeitung im basalen Bereich der Cochlea besser erfassen zu können. Die weitere Entwicklung des Handgerätes und der CIC-Ohrsonden zu einem serienreifen Produkt muss in Kooperation mit einer Firma erfolgen. Dies betrifft vor allem die weitere Miniaturisierung des Handgerätes und den Einsatz rauschärmerer Mikrofone zur Verkürzung der Testdauer. Durch Integration des Knochenleitungshörers im Handgerät könnte die Handhabbarkeit weiter verbessert werden. Ein solchermaßen entwickeltes Gerät würde der Bezeichnung „Stimmgabel“ in höherem Maße gerecht werden. In klinischen Studien muss die Performance der KL-OAE im Neugeborenen- Hörscreening und in der Konfirmationsdiagnostik weiter erprobt werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2011). Binaural measurement of bone conduction click evoked otoacoustic emissions in adults and infants. J Acoust Soc Am, 129(3), 1464-1474
Florian Kandzia, Johann Oswald, Thomas Janssen
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(2011). Knochenleitungsevozierte otoakustische Emissionen in der audiologischen Diagnostik (Dissertation, Lehrstuhl für Realzeit-Computersysteme, TU-München)
Florian Kandzia