Mikrofaunen der unter-/mittelkambrischen Láncara Formation (Kantabrisches Gebirge, NW-Spanien): Mikropaläontologie, Paläobiogeographie und Prozeßdynamik im Unter-/Mittelkambrium-Grenzbereich Westgondwanas
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die unter–mittelkambrische Láncara Formation, insbesondere deren oberes Member, der Kantabrischen Zone (NW-Spanien) wurde im Rahmen der DFG-Sachbeihilfe mikrofaziell, paläoökologisch und geochemisch untersucht. Umfangreiche Gelände- und analytische Untersuchungen führten zu einem erheblichen Kenntniszuwachs im Hinblick auf die Genese der Sedimente, auf Biostratigraphie, Paläoökologie, Paläo(bio)geographie, Chemostratigraphie und Prozessdynamik im Unter–Mittelkambrium Grenzbereich des Europäischen Gondwanaschelfs. Die Fauna des oberen Members der Láncara Formation (sowie zusätzliches Material des unteren Members und der Oville Formation) lieferte über 50 Taxa, von denen über 50% aus der Kantabrischen Zone bislang unbekannt waren. Zwei neue Brachiopodengattungen und –arten (Genetreta trilix und Iberotreta sampelayoi) sowie eine neue Molluskenart (Protowenella lancaraensis) konnten definiert werden. Die Fauna des oberen Members der Láncara Formation zeigt deutliche Beziehungen zu anderen unter–mittelkambrischen Abfolgen des mediterranen Raumes (Sardinien, Frankreich, Deutschland, Marokko). Brachiopoden, Mollusken und Cambroclaven zeigen außerdem Beziehungen zum Asiatischen Schelf, zu Laurentia, Kasachstan und Siberia. Die Untergliederung der Faunenzusammensetzung in unterschiedliche Faunenassoziationen erwies sich als ein geeignetes ökostratigraphisches Werkzeug sowohl für die Rekonstruktion der internen Struktur des Kantabrischen Ablagerungsraumes als auch für paläoökologische und bathymetrische Aussagen. Die Láncara Formation wird durch 9 Lithofaziestypen repräsentiert, wobei 7 auf das untere Member entfallen. Aufgrund lateraler Mächtigkeitsentwicklungen der Faziestypen des unteren Members der Láncara Formation wird der Ablagerungsraum als eine nordwärts einfallende, homoklinale Karbonatrampe interpretiert. Eine charakteristische vertikale Faunenabfolge in allen untersuchten Profilen des oberen Members sowie geringe Faziesgradienten bestätigen auch hier ein Rampen-Environment. Gestützt durch biostratigraphische Analysen wird der unter–mittelkambrische Sedimentationsraum der Kantabrischen Zone als eine Entwicklung aus einem siliziklastischen Schelf (Herrería Formation) zu einer homoklinalen, nordwärts einfallende Karbonatrampe (unteres Member der Láncara Formation) interpretiert. Bedingt durch einen diskontinuierlich ansteigenden Meeresspiegel kommt es zu einem ebenfalls diskontinuierlichen Absinken der Rampe und zur Entwicklung eines gemischt karbonatisch-siliziklastischen Sedimentationsraumes (oberes Member der Láncara Formation), welcher schließlich durch das siliziklastische Material der Oville Formation überlagert wird. Im Gegensatz zu bisherigen Vorstellungen wird mit dem hier vorgestellten, neuen Ablagerungsmodell folgendes belegt: (i) ein Einfallen des Ablagerungsraumes in Richtung N, (ii) das Fehlen einer ausgeprägten Morphologie und (iii) eine primäre Erstreckung des Ablagerungsraumes von mindestens 300 km. Unter Zusammenfassung aller lithofaziellen, paläoökologischen, paläobiogeographischen, biound chemostratigraphischen Daten kann die unter–mittelkambrische Abfolge der Kantabrischen Zone als Segment eines ausgedehnten und zusammenhängenden, diskontinuierlich absinkenden Europäischen Gondwanaschelfs interpretiert werden. Im Vergleich zu benachbarten kambrischen Abfolgen wird für die Kantabrische Zone eine proximale Position angenommen. δ13C-, δ18O- und 87Sr/86Sr-Untersuchungen an drei unter–mittelkambrischen Abfolgen der Kantabrischen Zone und der Montagne Noire lieferten die für diesen Zeitraum ersten chemostratigraphischen Daten des Europäischen Gondwanaschelfs. Vor allem die δ13C- und 87Sr/86Sr- Kurven können, in Verbindung mit bio- und lithostratigraphischen Betrachtungen, für eine chemostratigraphische Korrelation herangezogen werden. Fünf ausgeprägte positive Exkursionen innerhalb der drei erzeugten δ13C-Kurven können eindeutig miteinander korreliert werden. Somit ist eine geochemische Korrelation im regionalen Maßstab möglich. Eine interkontinentale chemostratigraphische Korrelation bleibt vorerst problematisch.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Wotte, Th. (2004): Palaeoecology and palaeobiogeographic relations of the microfauna of Cambrian nodular limestones from the Cantabrian Mountains (Northwestern Spain). 74. Jahrestagung der Paläontologischen Gesellschaft, Göttingen. Universitätsdrucke Göttingen: 259-260.
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Wotte, Th. (2004): Stratigraphic distribution pattern and paleoecology of a basal Middle Cambrian microfauna from the western Mediterranean (Cantabrian Mountains, northwestern Spain). IX Internat. Conf. of the Cambrian Stage Subdivision Working Group, Taebaek/Korea, Sept., 16.-21. abstr.: p. 30.
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Wotte, Th. (2005): Facies distribution patterns of the upper member of the Láncara Formation in the Somiedo- Correcilla unit (Lower-Middle Cambrian, Cantabrian zone, NW Spain) with special respect to biofacial investigations. Geosciences Journal, 9 (4): 389-402.
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Wotte, Th. (2005): Sr, C and O isotope geochemistry and chemostratigraphy of the carbonatic Lower/Middle Cambrian Láncara Formation (Cantabrian Mountains, northwestern Spain). The Fourth Internat. Symp. on the Cambrian System & Tenth Field Conf. of the Cambrian Stage Subdivision Working Group, Nanjing, China, Aug., 18-24. Acta Micropalaeontologica Sinica, 22 (Supplement): 202.
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Wotte, Th. (2006): New Middle Cambrian molluscs from the Láncara Formation of the Cantabrian Mountains (north-western Spain). Revista Española de Paleontología, 21 (2): 145-158.
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Wotte, Th. (2006): The Lower¿Middle Cambrian fauna from the Cantabrian Mountains (north-western Spain): Palaeoenvironmental and palaeobiogeographical considerations. XI Internat. Conf. of the Cambrian Stage Subdivision Working Group, Adelaide, South Australia, Aug., 14.-24. abstr.: 41-42.
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Wotte, Th., Elicki, O., Perejón, A., Moreno-Eiris, E. (2004): Facies distribution patterns and environment interpretation of the Upper Láncara Formation in the Esla Nappe (Cantabrian zone, NW Spain) by quantitative microfacies analysis. Paläontologie, Stratigraphie, Fazies 12, FFH, C 502: 101-118.