Phonologische Hilfen in der Aphasietherapie: Explizite vs. implizite Verfahren auf Merkmals- und Phonemebene
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In der vorliegenden Studie wurde die unmittelbare Wirksamkeit phonologischer Hilfen beim mündlichen Bildbenennen überprüft. An allen Untersuchungen nahmen aphasische Patienten mit Wortabrufstörungen und gesunde Sprecher teil. Dem experimentellen Vorgehen lagen zwei Hauptfragestellungen zugrunde. Zum einen sollte die Wirksamkeit der Hilfestellungen in Abhängigkeit von ihrem Informationsgehalt überprüft werden. In diesem Kontext wurden segmentale Hilfen (Information über alle Merkmale eines Phonems) und merkmalsspezifische Hilfen (Information über einzelne Merkmale eines Phonems) dargeboten. Der zweite Untersuchungsaspekt bezog sich auf die Wirksamkeit von Benennhilfen in Abhängigkeit von ihrer Darbietungsform, wobei die Hilfestellungen jeweils explizit und implizit präsentiert wurden. Die Wirksamkeitsprüfung, die sowohl für die Gruppen als auch für die einzelnen Probanden durchgeführt wurde, erfolgte durch einen Vergleich der Leistungen beim Benennen mit Hilfe und beim Benennen ohne Hilfe. Bei den gesunden Probanden wurde der Wortabruf durch das initiale Phonem eines Ztelwortes (segmentale Hilfe) und durch das Mundbild des Zielwortonsets (merkmalsspezifische Hilfe) fazilitiert. Diese Effekte traten unabhängig von der Darbietungsform, d.h. bei der expliziten und der impliziten Präsentation der Hilfestellungen auf. Diese Ergebnisse haben erstmals gezeigt, dass merkmalsspezifische Informationen, in Form eines Mundbildes, das Potenzial besitzen, die mündliche Wortproduktion zu unterstützen. Darüber hinaus konnten einige psycholinguistische Befunde, die bislang nur in anderen Sprachen beobachtet wurden, für das Deutsche repliziert werden (z.B. Wirksamkeit der impliziten Segmenthilfe). Bei den Patienten zeigte sich ein heterogenes Muster. Die meisten Patienten profitierten von der explizit vorgegebenen Segment- bzw. Mundbildhilfe, was einer isolierten Wirksamkeit der auditiven und der visuellen Anteile einer klassischen Anlauthilfe entspricht. Dabei war auffallend, dass die Patienten ausschließlich selektive Effekte zeigten. Sie wurden entweder durch die auditive Vorgabe des initialen Phonems oder durch die visuelle Vorgabe des Mundbilds unterstützt. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass unterschiedliche Präferenzen für die Art der mit einer phonologischen Hilfe vermittelten Information bestehen. Durch welche Faktoren derartige Unterschiede im Wesentlichen beeinflusst sind, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden. Die explizite Vorgabe von Benennhilfen spiegelt das klassische Vorgehen im klinischen Setting wider. Durch diese expliziten Methoden können bewusste, kontrollierte Verarbeitungsprozesse, beispielsweise im Sinne einer "aktiven Suche" nach dem Zielwort ausgelöst werden. In der vorliegenden Studie hat sich gezeigt, dass zwar ein Großteil der Patienten von diesen Hilfestellungen profitiert hat, es dennoch einzelne Fälle gab, bei denen explizite Benennhilfen eher kontraproduktiv waren, bzw. bei denen sich implizite Hilfen als wirksamer erwiesen haben. Diese Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass nicht nur die Art der Information von Relevanz ist, sondern dass auch die Art und Weise, auf die eine Hilfestellung vermittelt wird, deren Wirksamkeit beeinflusst.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Wunderlich, A. & Ziegler, W. (2006). Explizite und implizite Fazilitierung des Bildbenennens bei Patienten mit Wortabrufstörungen: die Wirksamkeit von segmentalen Hilfen und Mundbildem. Vortrag, 6. Jahrestagung der Gesellschaft für Aphasieforschung und - behandlung, Hamburg.
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Wunderlich, A. & Ziegler, W. (2006). Facilitating picture naming in anomic patients: the effectiveness of auditory and visual phonological information. Vortrag, Science of Aphasia VII, Porto Conte (Sardinien).
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Wunderlich, A (2007). Fazilitierung des mündlichen Bildbenennens bei aphasischen Patienten mit Wortabrufstörungen und gesunden Sprechern: Explizite und implizite Darbietung von Segment- und Merkmalshilfen. Dissertation. Institut für Phonetik und sprachliche Kommunikation. LMU München.
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Wunderlich, A. & Ziegler, W. (2007). Bildbenennen bei aphasischen Patienten mit Wortabrufstörungen: Die Wirksamkeit von auditiven und visuellen phonologischen Hilfen; 7. Jahrestagung der Gesellschaft für Aphasieforschung und -behandlung, Idstein.
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Wunderlich, A. & Ziegler, W. (2007). Bildbenennen bei Patienten mit Wortabrufstörungen: explizite und implizite Fazilitierung mit Anlauthilfen und Mundbildern. Vortrag, 36. Jahreskongress des Deutschen Bundesverbands für Logopädie e.V., Karlsruhe.
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Wunderlich, A. & Ziegler, W. (2007). Explicitly and implicitly presented mouth shape information as cues in spoken word production: dissociating effects in two anomic patients. Vortrag, Science of Aphasia VIII, Monopol! (Italien).