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Die soziale Dynamik der Energiewende am Beispiel der regenerativen Energien

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2004 bis 2007
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5419287
 
Erstellungsjahr 2007

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Mit der Wiederentdeckung und Diffusion der Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen durchläuft das deutsche Stromsystem seit den 1980er Jahren einen anfangs noch zaghaften, mittlerweile jedoch an Tempo und Veränderungsdynamik gewinnenden Transformationsprozess. Wir beschreiben diesen Transformationsprozess als Konfrontation zweier Paradigmen, in deren Verlauf die erneuerbaren Energien zu einer Herausforderung für das dominierende Paradigma im Stromsektor geworden sind. Dessen wesentliche Merkmale sind erstens die Nutzung fossil-atomarer Energieträger, zweitens die systemtechnische Zentralisierung der Stromproduktion und -distribution und drittens die vom Leitbild der öffentlichen Versorgungssicherheit unterstützte Herausbildung und Festigung oligopolistischer Branchenstrukturen. Die sozialökologischen Grundprinzipien des alternativen Paradigmas lauten dagegen: dezentralisierte Erzeugungs- und VersorgungsStrukturen; pluralisierte und basisorientierte Akteursstrukturen im Energiesektor; Ökologie als Leitnorm. Die Entwicklung des deutschen Erneuerbare-Energien-Sektors lässt eine für radikale Innovationen in gewisser Hinsicht typische „Karriere" erkennen. Die schon früh einsetzende Nischendynamik ermöglichte Lernkurven, die sich nicht nur auf technische Weiterentwicklungen im Rahmen rekursiver Hersteller-Anwender-Beziehungen beschränkten, sondern sich auch auf dezentrale Organisationsformen regenerativer Stromerzeugung (etwa im Bereich von Bürgerkraftwerken) sowie auf die Herausbildung wirksamer Governancestrukturen im Politikbereich der erneuerbaren Energien erstreckten. Bei allen Erfolgen, die die Branche der „Erneuerbaren" in den letzten Jahren für sich reklamieren konnte: Festzuhalten bleibt auch, dass sie es in Gestalt der etablierten Stromwirtschaft nach wie vor mit einem mächtigen Konkurrenten zu tun hat, der den Stromsektor auch heute strukturell dominiert und zudem verstärkt Strategien erkennen lässt, die auf eine (Re-)Stabilisienrug und längerfristige Sicherung des fossil-atomaren Energiepfades abzielen. Doch stehen die Protagonisten der erneuerbaren Energien auch deswegen vor neuen Herausforderungen, weil - so unsere These - das ursprünglich scharf konturierte Profil des alternativen Paradigmas in seiner Abgrenzung zu Leitmerkmalen des traditionellen Stromsystems diffuser geworden ist. Erstens zeichnet sich auch im Bereich der Stromerzeugung aus regenerativen Energien ein Trend zur wachsenden Anlagengröße und zur (partiellen) Zentralisierung ab. Zweitens wird mit der quantitativen Zunahme regenerativ erzeugten Stroms mehr und mehr deutlich, dass der gesetzlich garantierte Einspeisevorrang für „Ökostrom" - und damit die praktische Umsetzung der Leitnorm Ökologie - nur dann aufrechterhalten werden kann, wenn die Stromeinspeiser aus der Regenerativbranche selbst aktiv zur optimalen Netzeinbindung ihrer Erzeugungstechniken beitragen. Drittens bringen die Verbreitung regenerativer Stromerzeugung, das Größenwachstum der Erzeugungstechniken sowie der Trend zur Zentralisierung mit sich, dass auch die erneuerbaren Energien Ökologische Kosten verursachen. Mit der Expansion der regenerativen Stromerzeugung wird somit nicht nur ein Transformationsprozess im deutschen Stromsektor eingeleitet, vielmehr scheinen auch die Grundprinzipien des alternativen Paradigmas einen Rekonfigurationsprozess zu durchlaufen, der noch nicht abgeschlossen ist und für die zukünftige Entwicklung der Erneuerbaren mehr als nur eine Option offen lässt. Wir sehen die erneuerbaren Energien an einer wichtigen Wegscheide: Die neuen Offenheit auf der Ebene der paradigmatischen Grundprinzipien könnte der Expansion der erneuerbaren Energien weitere Schubkraft verleihen, aber auch eine bereits heute sichtbare Tendenz zur Polarisierung von Akteursstrategien und Zieldefinitionen innerhalb dieses energiepolitisch innovativen Handlungsfelds verstärken.

 
 

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