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Facettentheoretische Fundierung der sozialen Intelligenz, leistungsbasierte Diagnostik und Validierung des Konstrukts

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2003 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5419664
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Soziale Intelligenz ist eines der ältesten Fähigkeitskonstrukte der wissenschaftlichen Psychologie. Dennoch ist es bislang nicht gelungen, das Konstrukt auf der Grundlage von Leistungsdaten zu fundieren und seine Eigenständigkeit zu belegen. Dies ist erstaunlich, weil sozialen Fähigkeiten große Bedeutung für den Erfolg in vielen Berufen zugeschrieben werden. Mit diesem Projekt versuchten wir einen Neuanfang. Zum einen konnten methodische Schwächen bei früheren Studien festgestellt werden. Zum andern eröffnen neue digitale Technologien erstmals die Chance, ökologisch valides Stimulusmaterial zu generieren und in umfangreichen Studien einzusetzen. Auf Basis einer Literaturübersicht und eingebettet in ein Rahmenmodell sozialer Kompetenzen wurde zunächst ein hierarchisches Zwei-Facettenmodell der sozialen Intelligenz entwickelt, wobei wir uns - dem potentialbasierten Ansatz folgend - ausschließlich auf kognitive Aspekte beschränkten. In Anlehnung an facettentheoretische Strukturmodelle der Intelligenz wurden zwei Facetten unterschieden, eine operative und eine inhaltsgebundene. Die operative Facette differenziert Fähigkeiten hinsichtlich kognitiver Operationen, wobei wir soziales Verständnis, soziales Gedächtnis, soziale Wahrnehmung, soziale Flexibilität und ergänzend soziales Wissen unterschieden. Die Inhaltsfacette differenziert Fähigkeiten hinsichtlich kanal- bzw. materialspezifischer Besonderheiten mit der Unterscheidung von schriftlichem, auditivem, bildhaftem und videobasiertem Material. Zur Messung wurde ein multimediabasierter Leistungstest entwickelt, der nahezu ausschließlich auf realem Stimulusmaterial basiert. Das Material wurde auf Basis einer Taxonomie sozialer Situationen ausgewählt, um eine möglichst breite Palette sozialer Situationen in den Aufgabeninhalten abbilden zu können. Zu gleichen Anteilen wurde verbales (schriftlich und auditiv) und nonverbales (bildhaft und filmisch) Stimulusmaterial verwendet. Die Aufgaben wurden in vier umfangreichen Untersuchungen psychometrisch überprüft, validiert und sukzessive weiter entwickelt. Die aktuelle Version steht als Magdeburger Test zur sozialen Intelligenz zur Verfügung. Ausgewählte Ergebnisse: Die Subtests wiesen mit Ausnahme der Skala soziales Verständnis fast durchweg befriedigende bis gute psychometrische Kennwerte auf. Für letzteres Konstrukt wurde daher zusätzlich ein Expertenscoring erstellt. Das postulierte Modell wird durch die Daten nicht gestützt. Die Subtests waren untereinander nicht konsistent korreliert, was gegen die Annahme eines generellen Konstrukts der sozialen Intelligenz spricht. Soziales Verständnis und soziales Wissen waren substanziell korreliert, nicht aber mit den anderen Subkonstrukten der sozialen Intelligenz und unabhängig von akademischer Intelligenz, allgemeinem Wissen und Persönlichkeit (Bige five-Dimesionen). Dieser Befund konnte repliziert werden. Da die Messkonzepte der beiden Konstrukte keine Methodenvarianz teilen, stützen diese Befunde die Validität beider Konstrukte. Soziale Wahrnehmung, soziales Gedächtnis und soziale Flexibilität waren untereinander ebenfalls signifikant interkorreliert, noch stärker aber mit der akademischen Intelligenz. Nach statistischer Kontrolle der akademischen Intelligenz als Varianzquelle waren fast alle Zusammenhänge nicht mehr signifikant, was die Eigenständigkeit der drei Konstrukte in Frage stellt. Zeitliche Stabilität über mehr als ein Jahr konnte für alle Subkonstrukte aufgezeigt werden. Die Werte für soziales Gedächtnis und soziales Wissen erreichten dabei fast die der akademischen Intelligenz. Nur soziales Verständnis erfüllt bislang alle Kriterien, die für neue Intelligenzkonstrukte formuliert wurden. Was noch fehlt, ist der Nachweis prädiktiver Validität an relevanten Außenkriterien. Dennoch stellt sich die Frage, ob der Begriff der sozialen Intelligenz in Anbetracht der fehlenden Einheitlichkeit aufgegeben werden sollte. Wir tendieren dazu, diesen aus historischen Gründen als Sammelbegriff beizubehalten, denn er ist präziser und besser fundiert als der gänzlich unscharfe Begriff der sozialen Fähigkeiten (Kompetenzen), ein kaum fassbares Amalgam aus Fähigkeiten, Eigenschaften und Verhalten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2005). Social intelligence - a review and critical discussion of measurement concepts. In R. Schulze & R. D. Roberts (Eds.), International Handbook of Emotional Intelligence (pp. 203-230). Göttingen: Hogrefe
    Weis, S. & Süß, H.-M.
  • (2005). Soziale Kompetenzen. In H. Weber & Th. Rammsayer (Hrsg.), Handbuch der Persönlichkeitspsychologie und Differentiellen Psychologie (Reihe Handbuch der Psychologie, S. 350-361). Göttingen: Hogrefe
    Süß, H.-M, Weis, S. & Seidel, K.
  • (2006). Messkonzepte sozialer Intelligenz - Literaturübersicht und Ausblick. In R. Schulze & R. D. Roberts (Hrsg.), Emotionale Intelligenz. Ein internationales Handbuch (S. 213-234). Göttingen: Hogrefe
    Weis, S., Seidel, K. & Süß, H.-M.
  • (2007). Reviving the search for social intelligence. A multitrait-multimethod study of its structure and construct validity. Personality and Individual Differences, 42, 3-14
    Weis, S. & Süß, H.-M.
  • (2008). Neue Wege zur leistungsbasierten Erfassung sozialer Intelligenz und erste Befunde. In W. Sarges & D. Scheffer (Hrsg.), Innovationen in der Eignungsdiagnostik (S. 129-143). Göttingen: Hogrefe
    Süß, H.-M., Seidel, K. & Weis, S.
  • (2011). Intelligenztests und ihre Bezüge zu Intelligenztheorien. In L. F. Hornke, M. Amelang & M. Kersting (Eds.), Leistungs-, Intelligenz- und Verhaltensdiagnostik (Enzyklopädie der Psychologie, Serie Psychologische Diagnostik, Bd. 3, S. 97-234). Göttingen: Hogrefe
    Süß, H.-M. & Beauducel, A.
 
 

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