Thomas Mann, "Joseph und seine Brüder": Historisch-Kritische Edition und Interdisziplinäre Kommentierung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Infolge der Emigration Thomas Manns wurde die deutsche Version seines Opus magnum, die Josephsromane, in drei verschiedenen Druckerstandorten in Deutschland, Österreich und Schweden hergestellt. Besonders bei den beiden letzten Bänden handelte es sich um „Notausgaben" mit entsprechend schlechter Textqualität. Der Text wurde in der Vergangenheit nie einer grundlegenden Revision unterzogen. Jetzt liegt erstmals ein gesicherter Text auf der Basis der Erstdrucke vor mit Thomas Manns überlieferten Korrekturwünschen und nachgewiesenen Emendation. Dieser Text ist wiederum Grundlage einer interdisziplinären Kommentiemng. Im Unterschied zu den weit populäreren Romanen Die Buddenbrooks oder Der Zauberberg wurden die Josephsromane in der Vergangenheit von der Forschung eher stiefmütterlich behandelt. Der Grund hierfür lag aber nicht in der komplexen Werken oft eigenen Unpopularität, sondem darin, daß eben diese Komplexität die einzelnen Fachwissenschaften überforderte. So trugen Literaturwissenschaftler, Religionswissenschaftler, Ägyptologen und andere zwar das ihre bei, Teilaspekte der vier Romane zu erschließen, doch waren die unterschiedlichen Denkansätze, Methoden und Resultate stets zu sehr von den jeweiligen Fachwissenschaften geprägt. Das Förderprojekt intendiert nun die erste integrative Gesamtdarstellung, um dieses Grundübel zu beseitigen. Der Stellenkommentar als der Hauptteil der Kommentararbeit ist weitgehend abgeschlossen und profitiert neben der Vereinigung von Fachkompetenzen von einer intensivierten Quellenforschung und der erstmaligen Auswertung des nachgelassenen Arbeitsmaterials zum Joseph. In dieser Hinsicht dürfte dieser Kommentar lange nicht zu überholen sein. Die Transkription des handschriftlichen Teils des Nachlasses steht vor dem Abschluß und läßt weitere Erkenntnisse erwarten. Die Besonderheit des Kommentars, der 2009 fertiggestellt sein und wohl 2010 erscheinen wird, besteht darin, daß er über die rein literaturwissenschaftliche Exegese hinaus eine breite kulturwissenschaftliche Kommentierung zumal auf der Basis der Altorientalistik, Ägyptologie, Judaistik, alt- und neutestamentlichen Exegese, aber auch moderner Wissenschaftsdisziplinen bietet, deren Erkenntnisse in den Roman eingegangen sind, sich in ihnen spiegeln und von ihnen her kommentiert werden. Das betrifft etwa die musikologischen Aspekte - die zahllosen Wagner-Bezüge werden in diesem Kommentar zum ersten Mal umfassend nachgewiesen - oder den Bereich der Psychologie und Psychoanalyse (Thomas Manns durchaus kritisches, ja oppositionelles Verhältnis zu Siegmund Freud). Die Herausgeber bekennen sich zu der stark religionswissenschaftlichen Ausrichtung ihres Kommentars, die Thomas Manns Opus magnum allein gerecht wird. Daß er einer der bedeutendsten Religions- und Mythostheoretiker seiner Zeit und für unsere Zeit ist - diese Einsicht dürfte zu einem weithin neuen Thomas Mann-Bild führen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Richard Wagners und Thomas Manns mythische Parallelaktionen: Der Ring des Nibelungen und Joseph und seine Brüder. In: Moderne und Mythos. Hrsg. v. Silvio Vietta u. Herbert Uerlings. München 2006, S. 103-114
Dieter Borchmeyer
- Thomas Mann und Ägypten. Mythos und Monotheismus in den Josephsromanen. München 2006
Jan Assmann
- Drei Gespräche zwischen Jan Assmann und Dieter Borchmeyer. Tagung über Thomas Manns Josephsromane am 16./17. November 2007. In: zur debatte. Themen der Katholischen Akademie in Bayern 2/2008, S. 25f
Jan Assmann und Dieter Borchmeyer
- „Die Göttlichkeit des Maßes". Zahl und Maß in Thomas Manns Josephsromanen. „Ordo et Mensura X. Internationaler interdisziplinärer Kongreß für Historische Metrologie", 2007, Trier
Peter Huber