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Bestimmung großflächiger Erosionsraten und Sedimenttransportraten mit kosmogenen Nukliden in Fluss-Sediment

Fachliche Zuordnung Paläontologie
Förderung Förderung von 2004 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5430158
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Erosion der Berge ist nicht mit den hochpräzisen Methoden der modernen Erdvermessung zu erfassen. Anstelle dessen benutzen wir das seltene Isotop Beryllium-10, das in der Landoberfläche durch kosmische Strahlung entsteht. Je schneller eine Oberfläche abgetragen wird, umso weniger Isotope dieser Art sind darin vorhanden. Dazu wurde dieses „kosmogene“ Isotop mit Beschleunigermassenspektrometrie im Sand und Böden schweizer Alpenflüsse, und damit in den unmittelbaren Produkten der Erosion, analysiert. Das Resultat ist überraschend: die Alpen wachsen genau so schnell in die Höhe, wie sie schrumpfen. Durch Erosion wird etwa genau so viel Material von den Alpenhängen abgetragen wie aus der tiefen Erdkruste nachwächst. Die heutige Hebung der Alpen, wie von Geodäten gemessen, wird durch diese Erosion und die damit verbundenen Auftriebskräfte angetrieben. Aber nicht alle Alpentäler erodieren gleich schnell. Solche Täler, die während der letzten Kaltzeit bis vor etwa 15 Tausend Jahren durch Gletscher steil eingeschnitten wurden, erodieren heute mit weit mehr als 1 mm pro Jahr, und überwiegend durch Fels- und Bergstürze. Solche, die von Boden bedeckt sind, erodieren mit maximal 0.1 mm pro Jahr. Die Mischung beider Prozesse ergibt ein konzentrisches Muster von Erosions- und Hebungsraten in den Zentral- und Ostalpen, in denen die Raten aus dem Flusssediment von 0.1 mm pro Jahr am Gebirgsrand bis 2 mm pro Jahr im Hochgebirge zunehmen. Was passiert mit diesem Erosionssignal nun, wenn das Sediment langsam durch ein großes Flussbecken geschleusst wird, mit etlichen Zyklen der Einlagerung in Talauen und der Remobilisierung durch Änderungen im Flusslauf? Hierzu wurden kosmogene Nuklide in Sand des größten Flussbecken dieses Planeten, des Amazonas, gemessen. Die großen Amazonaszuflüsse, die in den Anden entspringen (Beni, Napo, Mamore, Ucayali) liefern Sediment mit für Hochgebirge typischen Raten von 0.2 bis 0.5 mm pro Jahr. Diese gewaltige Sedimentwalze bewegt sich langsam auf den Atlantik zu. Doch obwohl sie dabei häufig eingelagert wird, bleibt das „Signal“ der kosmogenen Nuklide aus den Anden erhalten. Denn die Einlagerung in den großen Überflutungsebenen des Amazonasbeckens ist sowohl zu tief, so dass kosmische Strahlen abgeschirmt werden, als auch zu kurz, so dass die radioaktiven Isotope nicht zerfallen können. Aber aus den alten Schildgebieten (die geologisch schon seit langem inaktiven Gebiete des Brasilianischen und des Guyana Schildes) wird grobkörniges Sediment beigemischt, das seine Herkunft gleich auf drei Arten preisgibt: es ist grobkörniger als das aus den Anden, die Erosionsraten sind mit maximal 0.1 mm pro Jahr sehr niedrig, und das Sediment wurde zum Teil für 1-2 Millionen Jahre eingelagert und wieder mobilisiert, so dass in der Zwischenzeit mehr kosmogenes Aluminium-26 als Beryllium-10 radioaktiv zerfallen ist. Mit all diesen Daten kann nun ein komplettes Sedimentbudget aufgestellt werden. Jedes Jahr werden ca. 600 Millionen Tonnen Sediment von den Anden in das Amazonas Becken geliefert. Überraschenderweise ist die Menge an Sediment, die in Form von Schwebstoffen im rezenten Fluss transportiert und heute gemessen wird, nicht kleiner. Somit werden sämtliches Erosionsprodukte der Anden ohne netto-Verlust in den Atlantik geliefert.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2007). Relation between rock uplift and denudation from cosmogenic nuclides in river sediment in the Central Alps of Switzerland. Journal of Geophysical Research-Earth Surface, 112(F4)
    Wittmann, H., F. von Blanckenburg, T. Kruesmann, K. P. Norton, and P. W. Kubik
  • (2008). New applications to in situ-produced cosmogenic nuclides in river sediment: high mountain belt denudation in the Swiss Alps and Bolivian Andes and sediment transfer and storage in the Amazon basin. Doktorarbeit Leibniz Universität Hannover, 178pp
    Wittmann, H.
  • (2008). Response of the landscape in the Swiss Alps to the late glacial to Holocene climate transition. Doktorarbeit Leibniz Universität Hannover, 148pp
    Norton, K.P.
  • (2010). Cosmogenic nuclidederived rates of diffusive and episodic erosion in the glacially sculpted upper Rhone Valley, Swiss Alps. Earth Surface Processes And Landforms 35, 651-662
    Norton, K. P., von Blanckenburg, F., and Kubik, P. W.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/esp.1961)
  • (2010). Silicate weathering of soil-mantled slopes in an active Alpine landscape. Geochimica et Cosmochimica Acta 74, 5243-5258
    Norton, K. P., and von Blanckenburg, F.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.gca.2010.06.019)
  • (2011). Recycling of Amazon floodplain sediment quantified by cosmogenic 26Al and 10Be. Geology, 39(5), 467-470
    Wittmann, H., F. von Blanckenburg, L. Maurice, J.L. Guyot, and P.W. Kubik
  • (2011). Sediment production and delivery in the Amazon River basin quantified by in situ-produced cosmogenic nuclides and recent river loads. Geol. Soc. Am. Bull., 123(5-6), 934-950
    Wittmann, H., F. von Blanckenburg, L. Maurice, J.L. Guyot, N. Filizola, and P.W. Kubik
 
 

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