Die bronzezeitlichen Kreisgrabenanlagen der Makroregion um Nebra (A2/2).
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Entdeckungen von Pömmelte-Zackmünde geben einen umfassenden Einblick in die Gesamtstruktur einer Rondellanlage und tragen zur Klärung der Bedeutung und Funktion solcher Bauwerke innerhalb der frühbronzezeitlichen Zivilisation bei. Architektonisch liegt dem Monumentalbau ein mehrfach gestaffeltes Raumkonzept zugrunde, bei dem durch mehrere konzentrische Ringe von Pfosten, Gruben und Gräben ein zu zeremoniellen Zwecken genutzter Ort von der umgebenden Landschaft abgegrenzt wird. Ähnliche, aus mehreren Ringe bestehende Anlagen waren im mitteleuropäischen Raum zuvor zwar vereinzelt entdeckt, ebenso wie bereits bekannte Kreisgrabenanlagen der Frühbronzezeit jedoch nie in ihrer vollständigen Ausdehnung feldarchäologisch untersucht und bis auf eine Ausnahme lediglich in Form kurzer Vorberichte puliziert worden, sodass immer nur eine ausschnitthafte Interpretation möglich war und viele bedeutsame Aspekte im Verborgenen blieben. Die Resultate der Grabungen in Pömmelte- Zackmünde stellen in dieser Hinsicht einen enormen wissenschaftlichen Zugewinn dar und tragen entscheidend zur Klärung des Forschungsdesiderats bei. Sie offenbaren die vielschichtige Bedeutung solcher Sakralorte. Dass in der Pömmelter Anlage Kulthandlungen, Rituale und Festmahle stattfanden, belegen die schachtartigen Vertiefungen im Kreisgraben, welche man offenbar speziell für die Niederlegung der dabei verwendeten Paraphernalia angelegt hatte. Das Fundgut lässt auf Festmahle, Trank- und Speise- bzw. Fleischopfer und den Vollzug bestimmter Tätigkeiten wie etwa das Mahlen von Korn schließen. Die auffällig Verteilung der Keramik und Faunenreste sowie verschiedener Fundtypen liefert Hinweise auf die Konnotation bestimmter Raumareale mit spezifischen ideellen Vorstellungen und die Durchführung damit verbundener Aktivitäten in jenen Zonen. Dass die kultisch-religiösen Zeremonialhandlungen wohl zu bestimmten Zeitpunkten während des agrarischen Jahreszyklus stattfanden, legt die Ausrichtung der Hauptzugänge der Anlage auf die Sonnenausgangspunkte zur Zeit der Mitviertelfeste nahe. Die immense Bedeutung des Wissens um solche astronomisch bestimmbaren Zeitpunkte für die Gesellschaft und die Verwaltung dieses Wissens durch die frühbronzezeitlichen Eliten zeigt nicht zuletzt das ikonografische Programm der Himmelsscheibe von Nebra. In die Schachtgruben hatte man zudem Sonderbestattungen eingebracht und die Opfer zwischenmenschlicher Gewaltausübung hineingeworfen, in denen unter Umständen Menschenopfer vorliegen könnten. Es handelt sich ausschließlich um Kinder, Jugendliche und Frauen. Im Rahmen mehrstufiger Deponierungspraktiken waren wohl in beträchtlichem Zeitabstand und teils in erneut ausgehobene Vertiefung über den Schächten sekundär erneut Objekte niedergelegt worden. Von besonderer Bedeutung sind die einzelnen oder paarig abgelegten Menschenschädel, die auf spezifische Vorstellungen im Rahmen des Totenglaubens hinweisen. Die ausschließlich in der Osthälfte und in Bezugnahme auf die Kreisstruktur der Anlage angeordneten Gräber belegen darüber hinaus die besondere Rolle des Pömmelter Heiligtums im Totenkult. Sie lassen ein vielfältiges Funeralbrauchtum rekonstruieren, was neben Primärbestattungen auch Teil- und Sonderbestattungen umfasste. Dass die Beerdigung ad sanctum den sterblichen Überresten junger Männer vorbehalten war, kann als Hinweis auf die besondere soziale Stellung der Individuen interpretiert werden. Die Entdeckung eines mutmaßlich rituell genutzten Grabengevierts und einer herausgehobenen Bestattung aus der ersten Hälfte des dritten Jahrtausends v. Chr. könnten für die bewusste Wahl der Lokalität zum Bau des henge-artigen Heiligtums von Pömmelte an einem bereits von den Ahnen genutzten Sakralort sprechen. Das Rondells selbst wurde vom 24. -21. Jahrhundert v. Chr. von den Trägern der Glockenbecherkultur und der frühen Aunjetitzer Kultur genutzt. Offenbar verlor es in der Zeit um ca. 2100-2050 v. Chr. seine vielschichtige Bedeutung. Einige Hinweise scheinen dafür zu sprechen, dass der Bedeutungsverlust die Dekonstruktion der Anlage zur Folge hatte. Von besonderem Interesse ist das in ca. 1,3 km Entfernung gelegene frühbronze-zeitliche Rondell von Schönebeck. Im Jahr 2011 vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie durchgeführte Grabungen stellen die Hypothese einer Nachzeitigkeit gegenüber dem Bau von Pömmelte in Frage und könnten auf die partielle Parallelität und auf unterschiedliche Bedeutunginhalte beider Anlagen hindeuten. Teilprojekt 2 innerhalb des Moduls A2 war der Erforschung der durch Luftbildprospektion erfassten Kreisgrabenanlagen der Makroregion um Nebra gewidmet, deren Grundriss von den üblichen neolithischen Anlagen abweicht und möglicherweise Himmelscheiben-zeitlich sind. Das wissenschaftlich bedeutsame Ergebnis des ersten Arbeitsschrittes war, dass Kreisgrabenanlagen auch für die Trichterbecherzeit, die Zeit der Becherkulturen und der beginnenden Frühbronzezeit, der klassischen Frühbronzezeit, der Spätbronzezeit und der älteren Eisenzeit belegt sind! Drei Anlagen datieren in den Zeitraum vom Übergang Spätkupfer-/Frühbronzezeit bis Frühbronzezeit: Egeln, Schönebeck und Pömmelte-Zackmünde (alle Salzlandkreis). Gemäß den Vorstellungen im Erstantrag wurde in der zweiten Projektphase das Rondell von Pömmelte-Zackmünde einer umfassenderen systematischen Untersuchung unterzogen. Ziel war es, eine Einsicht in die komplexe Gesamtstruktur einer solchen Anlage zu erlangen und dadurch zur Klärung ihrer Bedeutung und Funktion innerhalb der frühbronzezeitlichen Zivilisation beizutragen. Teilprojekt 2 ermöglicht erstmals umfassende Einblicke, in das geistig-religiöse Umfeld, in das Ritualverhalten, in die Kultplatzkonzeptionen sowie aber auch in die Organisation der Gesellschaft und der Kulturlandschaft zum Beginn der mitteldeutschen Aunjetitzer Kultur.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Pömmelte – ein mitteldeutsches Henge-Monument aus Holz. In: Arch. in Deutschland 6/2008, 6-11
F. Bertemes / A. Spatzier
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Die Kreisgrabenanlage vom Henge-Typ von Pömmelte-Zackmünde, Salzlandkreis - Vorbericht zu den Grabungen 2005/2006. In: Jahrschr. Mitteldt. Vorgesch. 91, 31-66
A. Spatzier
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Systematische Untersuchungen der Kreisgrabenanlage von Pömmelte-Zackmünde, Salzlandkreis. Zum Abschluss der Grabungen an mitteldeutschen Rondellen im Rahmen der Forschergruppe FOR:550. In: H. Meller (Hrsg.), Zusammengegraben - Kooperationsprojekte in Sachsen-Anhalt. Tagung vom 17. bis 20. Mai 2009 im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale). Arch. Sachsen-Anhalt Sb. 13 (Halle/Saale 2012), 89-98
A. Spatzier