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Emotionaler Bezug von Stresslauten des Schweins bei Sender- und Empfängerindividuen

Fachliche Zuordnung Tierzucht, Tierernährung, Tierhaltung
Förderung Förderung von 2004 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5434706
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem Projekt konnte eine Anzahl von Vokalisationen des Schweins mit Bezug zu definierten Stressoren ermittelt werden. Diese Stressoren reichten von rein physischen Schmerzreizen bis zu der psychologischen Antizipation aversiver Reize. Dabei traten tonale sowie atonale Laute auf. Erstere wurden unter Verwendung der sogenannten LPG-Analyse (Linear Prediction Coding) beschrieben. Des weiteren konnten im Rahmen von Mikroinjektionsversuchen in der Amygdala, einem mit der Auslösung aversiver Emotionen assoziierten Teil des limbischen Systems, mit Acetylcholin Lautgebungen hervorgerufen werden, die Stressvokalisationen gleichen. Weiterhin wurden gezielt und differenziert relevante Gehirngebiete, die bei anderen Arten in die Steuerung emotional aversiver Vokalisationen involviert sind, auf ihre Beteiligung bei der Produktion der Stresslaute des Schweins hin untersucht. Der Fokus richtete sich dabei auf den basolateralen und den zentralen Nukleus der Amygdala, die bei emotionalem Lernen eine zentrale Rolle spielen. Dabei wurden zwar nicht regelmäßig Vokalisationen ausgelöst, aber es kam zu Veränderungen der Herzfrequenz. Dadurch wird deutlich, dass die Injektionen durchaus physiologische Reaktionen ("arousal") auslösen können, diese aber nicht zwangsläufig von Vokalisationen begleitet sein müssen. Playback-Versuche konnten zeigen, dass stressbezogene Laute bei altersgleichen Artgenossen nur kurzfristig eine erhöhte Aufmerksamkeit auslösten, was aber eher unabhängig von deren Bedeutung war. So bewirkte der Kontrollton ähnliche, zeitweise sogar stärkere Reaktionen. Allerdings löste - anders als die Kontrolle- das Ende der Stresslaut-Playbacks eine erneute Reaktion aus. Dies deutet darauf hin, dass für die Versuchstiere die arteigenen Laute durchaus eine andere Bedeutung haben als Geräusche allgemein. Diese müssen aber nicht zwingend aversiv sein, da die Versuche eine kurzfristige soziale Isolation mit sich brachten, sodass arteigene Laute unabhängig von deren spezifischen Charakteristiken auch als Anwesenheit von Artgenossen interpretiert werden könnten. Durch den hier geführten Nachweis des Zusammenhangs zwischen spezifischen Stressoren, emotionsrelevanten Hirngebieten, physiologischen Stressparametern, und Vokalisationen soll die Lautanalyse als nicht-invasive und in der Praxis gut anwendbare Methode der Erfassung und Charakterisierung von Stressbelastungen beim Schwein weiter etabliert werden. Die aus diesem Projekt heraus erarbeiteten Befunde werden als wesentliche Grundlage eines verbesserten Zugangs zu emotionalen Äußerungen des Hausschweins mit erheblicher Relevanz für den praktischen Tierschutz im Rahmen verbesserter Interpretationsmöglichkeiten von Überwachungsdaten für den Tierhalter erachtet. Erfolgreich diskriminierte und charakterisierte Aversivlautgebungen des Schweins können in das im Haus entwickelte System zur automatischen Erfassung von Stressvokalisationen integriert werden. Dadurch werden für den Anwender genauere Informationen darüber bereitgestellt, welcher Art von Belastungen seine Tiere unterliegen. Die Darstellung im Detail unterschiedlicher Lautäußerungscharakteristika bei rein physischer Schmerzreizung (Schwanzkneifen und Elektrostimulation) und bei psychischer konditionierter Angst ist ein interessanter neuer Befund. Er weist auf die unterschiedliche Verarbeitung von antizipierten und empfundenen Aversivreizen hin. Nur im Falle der Antizipation traten neben hochfrequenten tonalen Lautabschnitten auch "untypische" atonale grunzartige auf. Die genauere Untersuchung der emotionalen Bedeutung dieser spezifischen putativen Aversivlaute steht noch an. Auffällig sind die negativen Befunde hinsichtlich der Reaktion auf arteigene Stressvokalisationen bei Schweinen. Wir konnten keine Evidenz dafür finden, dass das Hören derartigen Laute selbst einen Stressor darstellt. Diese ersten Befunde müssen jedoch noch mit anderen Ansätzen untersucht werden, bevor sie als hinreichend gesichert gelten können.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Düpjan, S., Schön, P.C., Puppe, B., Tuchscherer, A., Manteuffel, G. 2008: Differential vocal responses to physical and mental Stressors in domestic pigs (Sus scrofa). Applied Animal Behaviour Science (Siehe online unter: doi: 10.1016/j.applanim.2007.12.005)

  • Düpjan, S., Schön, P.C., Puppe, B., Tuchscherer, A., Manteuffel, G.: Stressor-spezifische Lautgebung beim Schwein. Beitrag zur DGfZ/GfT-Jahrestagung 2007 in Stuttgart-Hohenheim.

  • Düpjan, S.: Do pigs communicate stress? On emotional correlates of pigs' distress calls in senders and receivers. Beitrag zum Graduiertentreffen der DZG und der Deutschen Ethologischen Gesellschaft 2005 in Halle (Saale).

  • Manteuffel, G., Schön, P.C., Düpjan, S., Tuchscherer, A., Bellmann, O. 2007: Acetylcholine injection into the amygdala elicits vocalization in domestic pigs (Sus scrofa). Behavioural Brain Research 178, 177-180.

 
 

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