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Die Organisationsprinzipien der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemäß Art. 6 Abs. 1 EU am Beispiel der mittelbaren Unionsverwaltung

Antragsteller Dr. Christoph Görisch
Fachliche Zuordnung Öffentliches Recht
Förderung Förderung von 2004 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5437003
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Ausgangslage meines o.g. Habilitationsprojekts an der Universität Münster unter der Betreuung von Herrn Prof. Dr. Bodo Pleroth stellt(e) sich wie folgt dar: An die Stelle des herkömmlichen mitgliedstaatlichen Vollzuges des auf europäischer Ebene gesetzten Rechts treten zunehmend verselbständigte Verwaltungseinrichtungen von Union und Gemeinschaften (z.B. Europäische Arzneimittel-Agentur, Europäisches Markenamt, Europol). Im Rahmen der Diskussion um das tatsächliche oder vermeintliche „Demokratiedefizit" der EU ist diese Entwicklung von verschiedener Seite in die Kritik geraten. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission auch unlängst eine Phase der Evaluation ausgerufen und angekündigt, bis Ende 2009 von weiteren wesentlichen Ausdehnungen des Agenturwesens abzusehen. Das Kernproblem liegt darin, dass es für die Agenturen anders als für die Hauptorgane der Union kaum spezielle gründungsvertragliche Ausformungen der allgemeinen, in Art. 6 Abs. 1 EU (bzw. Art. I-2 in der Fassung des Vertrags von Lissabon) normierten Verpflichtung auf das Demokratieprinzip gibt. Für dessen nähere Inhaltsbestimmung bietet sich das Agenturwesen damit zugleich als Referenzgebiet an. Angesichts dessen habe ich mit meinem Projekt den Versuch unternommen, die demokratischen Anforderungen an das Agenturwesen im Wege wertender Rechtsvergleichung und kritischer Analyse der grundlegenden „Meroni"-Entscheidungen des EuGH aus dem jähre 1958 zum Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts zu konkretisieren. Die wesentlichen wissenschaftlichen Fortschritte, die dabei aus meiner Sicht erreicht wurden, sind im ersten Teil der Arbeit die erstmalige umfassende Klärung der rechtlichen Bedeutung des Art. 6 Abs. 1 EU, im zweiten Teil die erstmalige umfassende verwaltungswissenschaftliche Typisierung der bestehenden Einrichtungen und im dritten Teil die erstmalige differenzierte Herausarbeitung des Bezuges der zumeist entweder gänzlich unbesehen auf die Unionsagenturen in ihrer heutigen Gestalt übertragenen oder pauschal ais überholt kritisierten „Meroni"-Rechtsprechung zu den heute In Art. 6 Abs. i EU normierten Strukturprinzipien der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Die so gewonnenen Erkenntnisse sind für die Schaffung neuer Unionsagenturen, etwa Im Hinblick auf die jüngst inmitten der derzeitigen Evaluationsphase vorgeschlagene Schaffung von Regulierungsagenturen im Telekommunikations-, Energie- und Bankensektor, unmittelbar anwendungsrelevant. Die Untersuchung liefert aber, wie bereits der Untertitel der daraus entstandenen Monographie („Ein Beitrag zur Konkretisierung der europäischen Verfassungsstrukturprinzipien") signalisiert, auch ein generelles Muster für die konkretisierende Anwendung der übrigen in Art. 6 Abs. i EU normierten Verfassungsstrukturprinzipien (vgl. zum Rechtsstaatsprinzip den Exkurs auf S. 369 f., 380 ff.) im Hinblick auf ihren Anwendungsbereich und die Methode der wertenden Rechtsvergleichung. Für die weitere rechtliche Betrachtung speziell der Unionsagenturen In Bezug auf ihre Vereinbarkeit nicht nur mit den Verfassungsstrukturprinzipien, sondern auch mit sonstigen Rechtsvorgaben kann generell auf die im zweiten Teil entwickelte Agenturtypisierung zurückgegriffen werden. Eine „Überraschung" Im Projektverlauf war die allmähliche Konzentration auf das Demokratieprinzip, die sich Im endgültigen Titel „Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen" widerspiegelt, gegenüber der ursprünglich geplanten gleichgewichtigen Betrachtung von Demokratie- und Rechtsstaatlichkeitsprinzip nebeneinander entsprechend dem Arbeitstitel des Projekts. Die Konzentration ermöglichte eine tiefergehende Behandlung der demokratischen Aspekte. Für die rechtsstaatlichen Aspekte wurde stattdessen auf eine eingehende rechtsvergleichende Betrachtung nach den im zweiten Kapitel allgemein dargestellten Maßstäben verzichtet; der bereits erwähnte rechtsstaatliche Exkurs im dritten Teil geht allein von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus. Insgesamt erscheint mir dieses Vorgehen zugleich stringenter als eine gleichgewichtige Behandlung beider Strukturprinzipien nebeneinander mit der Gefahr einer Zerfaserung der Darstellung. Eine weitere, eher technische „Überraschung" war die durch das Scheitern des Verfassungsvertrags hervorgerufene Notwendigkeit einer zusätzlichen Einbeziehung des Vertrags von Lissabon in perspektivischer Hinsicht. Da auf die Bestimmungen des Verfassungsvertrags In der Literatur vielfach Bezug genommen wurde, habe Ich mich für eine parallele Einbeziehung beider Vertragswerke entschieden, die sich als sehr aufwendig erwiesen hat. Der praktische Nutzen rechtfertigt diesen zusätzlichen Aufwand aber meines Erachtens. Über die Resonanz In Publikumsmedien lassen sich bislang nur Prognosen abgeben. Angesichts der auch dort vergleichsweise intensiv geführten Diskussion über die Thematik (vgl. die betreffenden Nachweise in der Einleitung) erscheint eine solche Resonanz in Form von Rezensionen oder Berichten - durch die möglicherweise auch die politische Entwicklung noch einmal In anderer Weise beeinflusst wird, als durch die zu erwartende wissenschaftliche Resonanz - durchaus nicht ganz unwahrscheinlich.

 
 

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