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Der Kriminalitätsbegriff bei Kindern und Jugendlichen - eine explorative kriminologische Studie zur subjektiven Wahrnehmung von Kriminalität

Fachliche Zuordnung Kriminologie
Förderung Förderung von 2005 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5441587
 
Erstellungsjahr 2007

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Forschungsprojekts war die Analyse der subjektiven Kriminalitätsvorstellungen von Kindern und Jugendlichen zwischen dem 5. und 15. Lebensjahr sowie den Hintergründen der Vermittlung dieser Vorstellungen. Der explorative Forschungsansatz umfasste ein breites Methodenspektrum: Neben 46 Gruppendiskussionen in Kindergartengruppen und Schulklassen sowie 75 vertiefenden Einzel- bzw. Zweierinterviews mit Mädchen und Jungen unterschiedlicher ethnischer Herkunft wurden psychologische Zusatzinformationen erhoben und ergänzende Interviews mit Eltern und Erziehern geführt und qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet. Die zentralen Ergebnisse der Studie: 1. Das kindliche G rund Verständnis von Kriminalität ist durch einen hohen Grad intersubjektiver Übereinstimmung geprägt. Nahezu alle Probanden sehen die direkte, sichtbare und spürbare Schädigung von Individuen im Zentrum ihres Kriminalitätsbilds. 2. Unterschiede der Kriminalitätsvorstellungen lassen sich Faktoren zuordnen: -Alter: Mit zunehmendem Alter steigt das Abstraktionsniveau. Zudem orientieren sich die Sanktionsvorstellungen zunehmend weniger an der Person, sondern stärker an der Tat. Die Tatumstände werden von den älteren Probanden stärker gewürdigt. -Geschlecht: Mädchen schätzen mehr Handlungen als kriminell ein als Jungen. "Moderne" Delikte wie Stalking und Mobbing werden häufiger von Mädchen benannt. -Ethnie: Die Studienergebnisse spiegeln nur geringfügige ethnische Unterschiede im Hinblick auf Kriminalitätsbilder wider. -Persönliche Betroffenheit: Die Kinder, die in ihrer Umgebung viel Gewalt sehen, haben eine veränderte Wahrnehmungsschwelle und ein drastischeres Kriminalitätsbild. 3. Auffällig und überraschend ist aus kriminologischer Perspektive, dass sich Parallelen in der Entwicklung der kindlichen Kriminalitätsvorstellungen und der Entwicklung kriminologischer Theorien zeigen. 4. Das Wissen über gesellschaftliche Kriminalitätsnormen, das bei den allermeisten Probanden vorhanden ist, wirkt sich nicht unmittelbar auf das Verhalten aus. Zahlreiche Probanden gaben abweichendes Verhalten zu. 5. Die Vermittlung der Kriminalitätsvorstellungen erfolgt vornehmlich durch die Eltern (NormVermittlung: Konditionierung, Identifizierung, freiwillige Selbstbindung aus Einsicht), bei älteren Kindern auch durch Lehrer und Medien. Was als normal angesehen wird, hängt bei älteren Kindern/ Jugendlichen zentral mit den Vorstellungen der Gleichaltrigen zusammen. 6. Orientierungsrahmen sind bei den jüngeren Kindern die Eltern, bei den älteren wird ein Bezug zu Gesetzen, Moral, Religion und Kultur hergestellt. 7. Die Ergebnisse legen nahe, dass Kinder heute eine Chance zur Emanzipation haben (wenn geeignete Rahmenbedingungen vorliegen), dass die Kriminalprävention verstärkt Hintergrundinformationen vermitteln sollte, dass Tierfiguren sinnvoll bei kriminalpräventiven Maßnahmen bei Kindern bis zu 8 Jahren eingesetzt werden können und dass die Forderungen nach einer Herabsetzung des Strafmündig keitsalters an der Problematik vorbei gehen. Die Studienergebnisse wurden bislang im Rahmen einer Wirkungsevaluationsstudie sowie bei der Kinderuniversität auf dem 12. Deutschen Präventionstag eingesetzt. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden sowohl Praktikern als auch Wissenschaftlern zur Verfügung gestellt. Ein breites Publikum wurde auf die Studie aufmerksam durch eine dpa-Pressemeldung (s. Anhang). Im August 2007 wurden Frau Dr. Reich und Herr Bott für die Zeitschrift "Familie & Co" zum Thema des Forschungsprojekts interviewt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Bott, K. 2006: Kinderdelinquenz. In: Feltes, T.; Kerner, H.-J. (Hrsg.): Kriminologie- Lexikon Online.

  • Bott, K.: Basic Concepts of Crime and Criminals in the Early Life Course. 6th Annual Conference of the European Society of Criminology, Tübingen, 27.08.2006.

  • Bott, K.: Developmental Concepts of Morality and Criminality (Panelleitung). 6th Annual Conference of the European Society of Criminology, Tübingen, 27.08.2006.

  • Bott, K.; Reich, K.; Kerner, H.-J. 2006: Kriminalitätsvorstellungen von Kindern. Zur Problematik der Entwicklung von Rechts- und Unrechtsbewusstsein unter modernen gesellschaftlichen Bedingungen. In: Praxis der Rechtspsychologie. Themenschwerpunkt Kinderdelinquenz, 8-29.

  • Kerner, H.-J.; Bott, K.; Reich, K. 2006: Die Entwicklung von Kriminalitätsvorstellungen bei jungen Menschen: Versuch einer Bestandsaufnahme im Kontext der Forschung zum Rechtsbewusstsein und zum moralischen Urteil. In: Feltes, T.; Pfeiffer, C.; Steinhilper, G. (Hrsg.): Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen. Festschrift für Professor Dr. Hans-Dieter Schwind zum 70. Geburtstag. C.F. Müller Verlag Heidelberg, 963-993.

  • Reich, K.: Differentiation of Concepts of Crime and Criminals among Juveniles in Germany. 6th Annual Conference of the European Society of Criminology, Tübingen, 27.08.2006.

 
 

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