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Validierung und Weiterentwicklung integrativer Methoden zur Rückfallprognose bei Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten mit gravierenden Gewaltdelikten

Subject Area Personality Psychology, Clinical and Medical Psychology, Methodology
Term from 2004 to 2011
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 5442616
 
Final Report Year 2008

Final Report Abstract

Kernanliegen der Studie war die Evaluation und Weiterentwicklung aktueller Methoden zur Einschätzung der Rückfallrisiken bei männlichen Straftätern mit besonders gravierenden Anlassdelikten (N=221) sowie die Erkundung der Möglichkeiten ihrer sinnvollen Integration im Rahmen komplexer Prognosebeurteilungen. Die Studie war retrospektiv angelegt, die Beobachtungszeit zur Überprüfung der Zuverlässigkeit von Risikoeinschätzungen betrug acht bis elf Jahre nach Haftentlassung. Zunächst zeigte es sich, dass mit den erprobten Methoden weitgehend gute bis sehr gute Beurteilerübereinstimmungen möglich waren. Weiterhin erlaubten alle untersuchten Strategien valide - meist hochvalide - Vorhersagen unterschiedlicher Rückfallereignisse; vor allem bei Tätern mit schweren Gewalttaten ergab sich teilweise eine sehr beachtliche Prognosegüte. Demgegenüber lagen die Rückfallprognosen der erprobten aktuarischen Instrumente bei den Sexualstraftätern oft nur auf moderatem (wenngleich statistisch hochbedeutsamen) Niveau; hier erzielten nur die klinisch-idiographischen Einschätzungen gute Werte. Indessen waren auch bei den übrigen Tätern die idiographischen Prognosen den standardisierten Verfahren durchgängig überlegen - sie wurden im Projekt allerdings explizit in Kenntnis der Ergebnisse der Instrumente vorgenommen, um den gegenüber Standardprozeduren erzielbaren Zugewinn an Prognosezuverlässigkeit prüfen zu können. Vergleiche der standardisierten Prognoseinstrumente ergaben zunächst, dass aufwändige komplexe Prozeduren gegenüber rein statistischen Verfahren zwar nicht grundsätzlich prognostisch überlegen waren, aber substantielle inkrementelle Validität aufwiesen; d.h. sie erbrachten gegenüber bloßer Statistik einen nachweisbaren Zugewinn an prognostischer Güte. Es wurden daher verschiedene Modelle zur Integration einfacher und komplexer Standardinstrumente mit dem Ziel einer übergreifenden aktuarischen Rückfallrisikoeinschätzung entwickelt. Diese erwiesen sich gegenüber Einzelinstrumenten als prognostisch überlegen und waren zudem bei Erprobung an unterschiedlichen Teilgruppen in ihrer Zuverlässigkeit stabiler. Die idiographischen Beurteilungen blieben indessen auch in Ergänzung zu diesen integrativen Einschätzungen inkrernentell hochvalide. Für die prognostische Begutachtungspraxis legen die Befunde der Studie insoweit ein sequenzielles Vorgehen als nach derzeitiger Sachlage „best practice" nahe, mit mehrstufiger systematischer Prüfung der aktuarischen Rückfallrisiken und eine hierauf fußende sorgfältige idiographische Fallbeurteilung. Systematische Analysen der Verteilung von Fehlprognosen ergaben, dass bei der Vorhersage gravierender und entsprechend seltenerer Rückfallereignisse die Risiken falsch-positiver Einschätzungen (kein „schwerer" Rückfall trotz ungünstiger Prognose) deutlich überwogen. Falsch-negative Prognosen („schwerer" Rückfall trotz günstiger Prognose) waren demgegenüber durchgängig eher selten. Bei Anlage häufigerer Rückfallereignisse (z.B. erneute Haftstrafe) war die Verteilung der Fehlerrisiken erwartungsgemäß ausgewogener. Mit Blick auf potentielle zukünftige Weiterentwicklungen standardisierter Prognoseinstrumente fanden sich einige vielversprechende Themenbereiche, die in den aktuellen Verfahren nicht oder unzureichend berücksichtigt sind, aber teilweise recht beachtliche und vor allem inkrementelle Validität für die Rückfallprognose aufzuweisen scheinen. Insbesondere eine Reihe von Verhaltensvariablen aus der Haft sowie Veränderungen dynamischer Risikofaktoren im Haftverlauf und - zumindest bei Vergewaltigungstätern - Merkmale des genauen Tatverhaltens und Tatbildes erscheinen hier aussichtsreich. Weiterhin ergaben Analysen der Bedeutung situationaler und persönlicher Entwicklungen nach Haftentlassung für das Rückfallverhalten einige hochrelevante Bereiche, die potentiell für die zukünftige Entwicklung von Instrumenten zum postmuralen Risikomanagement geeignet erscheinen.

 
 

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