CyberCash - Konsumpraktiken in der virtuellen Alltagsökonomie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Wie verschieben sich im Internetzeitalter die Relevanzen der Verbraucherinnen und Verbraucher? Dieser Frage ging das Projekt mit einem qualitativen Forschungsdesign nach, welches sowohl die biographischen und alltagskulturellen Hintergründe der Konsumpraktiken als auch die Dynamiken der digitalen Märkte in den Blick nahm, um die Wechselwirkungen von Konsumpraktiken und Marktdynamiken mittels Fallkontrastierung typologisch zu rekonstruieren. Im Hintergrund stand dabei die Frage, ob und inwiefern das Internet als ein Medium der Verbraucherbildung fungiert, durch dessen Nutzung sich individuell und/oder kollektiv Bedingungen lebensweltlicher Autonomiesicherung verschieben und ggf. verbessern. Am Horizont wirkte das Forschungsinteresse an den Perspektiven und Potenzialen einer Verbraucherdemokratie in das Projekt hinein, speziell die Frage, ob sich Evidenzen für die Bildung zum Consumer- Citizen aus alltagssoziologischer Perspektive auf Konsumpraktiken nachweisen lassen. Mit ethnographisch angelegten Befragungen in privaten Haushalten, denen ein Onlinefragebogen vorangestellt war, die narrative Interviewteile mit Präsentationen am PC und argumentativen Reflexionen verbanden und von unpersönlichen Analysen favorisierter Websites flankiert wurden, konnten 19 Einzelfälle analysiert und miteinander kontrastiert werden. Im Ergebnis zeigten sich drei maximal kontrastierende dynamische Muster, die durch minimal kontrastierende Subtypen zum einen bestätigt, zum anderen ansatzweise in ihrer Vielfalt ausdifferenziert werden konnten. Beim ersten dieser Muster dominiert die eingelebte Alltagspraxis auch die Nutzung des Internets als neuem Mittel des Konsums. Hierbei kann es sich eher um Routinen handeln, deren Relevanzen nicht weiter reflektiert und begründet werden oder aber um bewusste, z.T. explizit reflektierte und begründete Kontrollhierarchien, die das Internet als Mittel alltagsökonomischer Konsumpraktiken verwenden, die durch biographische Lebenspläne und ethische Vorstellungen des guten Lebens bestimmt sind. Beim zweiten Typus kehren sich die Kontrollhierarchien demgegenüber teilweise um, ohne dass dies von den Verbrauchern selbst - etwa als gezielter Exzess oder gewünschte Verführung - gewollt ist. Vielmehr liegt eine Disposition zu außengeleitetem Handeln vor, die mit den Ansprüchen an Handlungsautonomie in Konflikt stehen kann. Dabei können die über das Internet vermittelten Relevanzsetzungen eher post-sozialen Charakter haben, also durch die Artefakte der digitalen Technologie gesteuert sein oder aber durch Peer-Beziehungen in den neuen sozialen Netzen der digitalen Welt kontrolliert werden. Auch beim dritten Typus findet sich die Hinwendung zu dynamischen Marktentwicklungen im Internet, die allerdings durch eine strategisch distanzierte Haltung zu den Normen und Konventionen ökonomischen Handelns gebrochen wird. Dieses Muster tritt in verschiedenen Generationen insbesondere bei den männlichen Befragten hervor, wobei sich die spannungsvolle Verknüpfung von Strategie und Konventionalität biographisch eher zur Seite der Konventionalität oder aber zur Seite marktstrategischen Handelns hin auflösen kann. Insgesamt verbleiben diese Muster alltagsökonomischer Autonomiebehauptung im Rahmen privater Haushalts- und Lebensführung. Für die Frage nach den Potenzialen und Perspektiven einer Verbraucherdemokratie ergibt sich daraus die Einsicht, dass in weiteren Forschungen die komplementären Prozesse der Marktaushandlung durch politisch fungierende Akteure untersucht und mit den Mustern der Konsum- und Alltagspraxis der Consumer-Citizen in Beziehung gesetzt werden müssen.