Konzepte, politische Steuerung, institutioneller Aufbau, Wirkungsweise, Nutzung und Öffentlichkeitsräume der Publikumsmedien während des Nationalsozialismus
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Es gibt noch keine Gesamtdarstellung der Medienpolitik und des Medienensembles während des Nationalsozialismus. Teilsynthesen oder die üblichen kurzen Abrisse und Zusammenfassungen entsprechen weder den Erkenntnismöglichkeiten noch gelingt es ihnen, das dominante Muster einer von "oben" gesteuerten, übermächtigen "Propaganda" hinreichend zu differenzieren. Die geplante Gesamtdarstellung in Form eines Buches von ca. 300 Seiten wird sowohl eine Synthese der sehr diversen Forschungsansätze leisten als den Gegenstand durch die vergleichende Sicht auf die Diktaturen in Spanien und Italien historiographisch verorten und über eine komparatistische Perspektive besonders die Spielräume der Medienpolitik und die Reichweite von offiziellen Medienerzeugnissen berücksichtigen. Es wird ferner der wachsenden disziplinären Ausdifferenzierung Rechnung getragen werden, da man es mit einem Forschungsfeld zu tun hat, in das sich klassische politische Geschichte, angelsächsische und deutsche Filmwissenschaft, Publizistik, eine zur Bildwissenschaft erweiterte Kunstgeschichte und neuerdings performative Ansätze teilen, ohne dass es zwischen diesen Teildisziplinen zu hinreichenden Vermittlungen gekommen wäre. Der empirische Gegenstandsbereich wird sich pragmatisch auf die klassischen und wichtigsten Publikumsmedien beschränken. Printmedien, Hörfunk, Film/Kino werden in ihren Eigenarten, hinsichtlich ihrer politischen Steuerung, ihrer systemischen und inhaltlichen Vernetzungen und vor allem hinsichtlich intendierter und erreichter Publiken und "Wirkungen" untersucht. Hierbei wird der Wirkungsbegriff reflektiert und operationalisiert. Außerdem wird das Verhältnis zwischen Ritualen, Öffentlichkeiten und medialen Vermittlungen untersucht. Ergänzend herangezogene Primärquellen dienen dazu, Forschungslücken zur sozialen und medialen Publikumskonstituierung, zu Öffentlichkeitsformen und Wirkungen (allgemein kultureller wie politischer Art) zu schließen. Anknüpfend z. B. an die von 1987 stammende Arbeit von Ian Kershaw über wachsendes "kritisches Raunen" der Bevölkerung und die letztendliche Brüchigkeit des Hitler-Mythos wird insbesondere die bei den mediengeschichtlichen Einzelstudien bis heute beherrschende Frage nach Aufbau, Methoden, Inhalten und institutionellen Voraussetzungen von "Propaganda", die von zentraler Warte aus erfolgreich manipulativ und mit erschreckenden Wirkungen sowie mehr oder minder ungebrochen und ungehemmt umgesetzt wird, sowohl umfänglich aufgegriffen als kritisch hinterfragt. Es zeigen sich zwischen den drei untersuchten Regimes starke Gemeinsamkeiten und Unterschiede beim durchgesetzten Tempo medialer Modernisierung, vor allem erweisen sich bei den untersuchten Publiken starke Ungleichzeitigkeiten hinsichtlich deren Ansprüchen und Erreichbarkeit. Es wird darauf abgehoben, dass "Botschaften" von Medienprodukten nicht immer so eindeutig sind wie sie erscheinen und dass es verschiedene Lektüren dieser Produkte gibt, auch wenn man die Lektüre selbst quellenmäßig meist nur indirekt greifen kann. Es wird herausgearbeitet, dass und warum "Unterhaltung", "Konsensbildung", "Mobilisierung für den Krieg" und "Herstellung einer nationalen Kommunikationsgemeinschaft" sich als geeignete Schlüsselbegriffe erweisen. Insgesamt sind das bisherige Forschungsprogramm und die Möglichkeit einer vergleichenden Perspektive bestätigt worden. Noch etliches ist hinsichtlich der restlichen Aufarbeitung des Materials zu tun und vor allem ist zu überprüfen, ob Lücken in der italienischen und spanischen Forschungsliteratur zu einigen der genannten Themenkomplexe tatsächlich bestehen.